Stalingrad und das Schweigen

Die "Schlacht um Moskau" war gescheitert, die "Schlacht um Leningrad" kam über ein gigantisches Wehrmachtsverbrechen militärisch nicht hinaus, aber Hitler wollte die Aussichtslosigkeit seines Krieges nicht eingestehen und befahl den Angriff auf Stalingrad (heutiges Wolgograd).
 
Ende August 1942 erreichte Generalmajor Paulus mit der 6. Armee die zugleich aus der Luft  zerbombte Stadt und "eroberte" die Trümmerlandschaft bis Mitte November in erbitterten Häuserkämpfen zu etwa 90 Prozent.

Am 19. November kommt es zur Gegenoffensive der Roten Armee. Innerhalb von drei Tagen werden die  noch lebenden 250.000 deutschen gemeinsam mit über 30.000 rumänischen und russischen Hilfssoldaten von der Roten Armee eingeschlossen. Die Situation ist militärisch aussichtslos und der Nachschub reicht nicht zur Versorgung der Truppen. Paulus bittet Hitler um die Erlaubnis zum Ausbruch und Abkehr von Stalingrad, aber Hitler verweigert. Am 23. Dezember erneuert Hitler ultimativ seinen Durchhaltebefehl. Bei Temperaturen von mehr als 40 Grad Minus verknappt sich die durchschnittliche Tagesration auf zwei Scheiben Brot, etwas Tee und dünne Suppe. Tausende Wehrmachtssoldaten verhungern. In der Verzweiflung werden Pferdekadaver und sogar tote Kameraden verspeist. Die menschliche Tragödie ist komplett. 150.000 deutsche Soldaten sind in diesem Kessel verreckt. Wie viele Rumänen, wie viele Russen? Insgesamt vielleicht eine Millionen. Zumeist ist von 700.000 Toten die Rede.
 
"Heldentod"? Nein, geopfert für den Wahnsinn der Nazis: Am 30. Januar 1943 wird Paulus noch zum "Generalfeldmarschall" ernannt, um ihn von der Kapitulation abzuhalten. Aber die Verteidigungslinien brechen und Paulus kapituliert in seinem südlichen Kessel einen Tag später. Nach zwei weiteren Tagen ist es auch mit dem Nordkessel vorbei. Etwa 91.000 Soldaten geraten in sowjetische Kriegsgefangenschaft, 50.000 sterben noch auf den Transporten in die Gefangenenlager an den Folgen ihrer Unternährung im Kessel. Nur 6.000 überleben die Lager und manche kommen erst 1956 zu ihren Familien zurück. - Einer von ihnen war mein Onkel T.S.
  
Spätestens im Februar 1943 konnte jeder erkennen, dass die NS-Politik eine mörderische Sackgasse war, dass Hitler kein Erbarmen kannte, mit niemandem und auch nicht mit "seinen" Soldaten.  Stalingrad war eines der schlimmsten Verbrechen gegen Russland und das schlimmste Verbrechen gegen das eigene Volk. Mutige Deutsche pinselten die Jahreszahl "1918" an die Hauswände, um an die Niederlage im 1.Weltkrieg zu erinnern, aber die Nazis wollten die Lehren aus der Geschichte aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängen und propagierten am 18. Februar 1943 den "
Totalen Krieg".  Das Morden sollte sich um zwei bittere Jahre verlängern, in denen das Leid immer tiefer dort hin kam, von wo es seinen Anfang genommen hatte.

Die Fotos sind aus einer TV-Dokumentation. Es kommt mehr Material nun endlich auch aus den russischen Archiven, mehr Bilder des Elends dieser Schlacht und mehr Zeitzeugen-Interviews, die allmählich von den idiotischen "Wochenschau"-Bildern emanzipieren, die auch bei kritischer Kommentierung noch immer ihren Mythenbildungsauftrag nicht verfehlen. Der Wahnsinn dieser Prestige-Schlacht, des größten Soldatenmordens im 2. Weltkrieg. 

Ein Recht auf Vergessen?

Onkel Tollo, Ehemann meiner Patentante, verstarb im Alter von 87 Jahren. Er war Spätheimkehrer einer dieser 6.000 Überlebenden von Stalingrad. Zuhause hieß es, dass er nicht gern darüber spreche. Das war mir seltsam, denn meine Eltern lehrten mich Offenheit. Vielleicht war ich zwölf Jahre alt, als ich ihn einfach fragte, und es war ein Schock, dass unser "Großer weißer Büffel" (sein Spitzname) unerwartet Tränen vergoss. Ich kann nicht erinnern, was er eigentlich sagte, nur meine Schuld erinnere ich, ihn überhaupt gefragt zu haben, was er zu vergessen versuchte und darauf ein Recht haben konnte. Ein Recht auf Vergessen? Das durfte mir sein, weil er mein geliebter Verwandter war, aber doch nicht allgemein, wenn andere aus dem Vergessen ihre Mythen bilden und  Verbrechen zu Heldentaten verklären. -Sven-

 

Deutsches Historisches Museum

Zweiter Weltkrieg

http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Stalingrad 

? Recht auf Vergessen ?

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