Hitler-Stalin-Pakt und Vertragstext
Am
23.8.1939 schließen Nazi-Deutschland
und die Sowjetunion den "Deutsch-Sowjetischen
Nichtangriffspakt", der als Hitler-Stalin-Pakt bezeichnet
wird.
In einem geheimen Zusatzabkommen verabreden die beiden Diktatoren
unter anderem die Aufteilung Polens.
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Joachim von Ribbentrop bei der Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen
Nichtangriffsvertrages, im Hintergrund Stalin Photograph: Heinrich Hoffmann, Moskau, 23. August 1939, www.DHM.de |
Die polnische Regierung kapitulierte am 27. September 1939 aus ihrem britischen Exil.
Die sowjetische Argumentation zum Nichtangriffsvertrag und Einmarsch ins östliche Polen:
1. Der Nichtangriffsvertrag sei
im Bewusstsein geschlossen worden, dass von Großbritannien und
Frankreich keine wirkliche Unterstützung zugunsten der Sowjetunion zu
erwarten gewesen sei. Der Westen habe versagt, als es um die Bildung einer
"großen Allianz" gegen Nazi-Deutschland gegangen sei.
>> Dieses Argument wird immerhin z.B. durch Winston
Churchill in seinem Buch "Der Zweite Weltkrieg" gestützt. Churchill
wirft darin dem Westen eine antikommunistische Verblendung vor; es sei ein
Fehler gewesen, auf die sowjetischen Vorschläge nicht eingegangen zu
sein.
>> Gleichwohl kann das Nichtzustandekommen der Anti-Hitler-Allianz
moralisch weder den Nichtangriffsvertrag
und erst recht nicht das Zusatzprotokoll
rechtfertigen.
2. Durch den Nichtangriffsvertrag habe die Sowjetunion Zeit gewinnen können.
3. Durch den Nichtangriffsvertrag habe die Sowjetunion Hitlers Expansionsdrang nach Osten Grenzen gesetzt.
4. Durch den Einmarsch der Roten Armee ins östliche Polen sei man der Wehrmacht entgegengetreten (also Umsetzung des 3.Arguments) .
5. Durch den Einmarsch der Roten Armee ins östliche Polen habe man in etwa den Grenzverlauf von 1917 wiederhergestellt.
Gegen jeden dieser Rechtfertigungsgründe lassen sich wiederum zahlreiche Gegenargumente nennen, was der weiteren Diskussion vorbehalten sein kann.
Versuch einer moralischen Bewertung dieses Pakts:
Es wird sich nicht abschließend klären lassen, ob Hitler auch ohne das Abkommen mit Stalin den Überfall auf Polen gewagt hätte.
Es wird sich auch nicht abschließend klären lassen, ob Stalin ohne diesen Pakt gewagt hätte, in Polen einzufallen und die baltischen Staaten einzuverleiben.
Es zählt das Faktische >> Hitler und Stalin wirkten zusammen. Hitler begann den Krieg, Stalin stieg ein und okkupierte seinerseits vom NS-Krieg bislang unbehelligte Staaten.
Einwände:
1. Die Kürze der Frist (sieben Tage), innerhalb der die Hitler-Armeen nach dem Hitler-Stalin-Pakt in Polen einmarschierten, spricht dafür, dass es Hitler so sehr nicht auf Stalins Verhalten ankam.
2. Der Hitler-Stalin-Pakt dürfte aus Sicht Hitlers nur eine Optimierung seiner Kriegsabsichten gewesen sein, denn er musste damit rechnen, dass Großbritannien seinen vertraglichen Beistandsverpflichtungen gegenüber Polen nachkommen würde. Hitlers Vorteil aus dem Pakt mit Stalin war, dass er keinem Zweifrontenkrieg ausgesetzt sein würde.
3. Es ist unwahrscheinlich, dass Stalin ohne das Abkommen mit Hitler in Polen eingefallen wäre, denn so schwach waren die polnischen Armeen nicht und zudem durch Beistandsabkommen mit Großbritannien gesichert. Stalin dürfte darauf angewiesen gewesen sein, dass die deutsche Wehrmacht mit ihrem Überfall die polnischen Truppen entscheidend geschwächt hatte, so dass sich den einmarschierenden Stalin-Truppen kaum noch etwas in den Weg stellen konnte.
Fest steht, dass Nazi-Deutschland und die Sowjetunion mit dem geheimen Zusatzprotokoll zum Nachteil Polens gemeinsam gegen das Völkerrecht verstießen, so dass auch für den 2.Weltkrieg Spekulationsraum für die Kriegsschuldfrage gegeben ist, wonach Stalin Mitschuld am "Kriegsausbruch" anzulasten ist.
Es sind genau diese
"Spekulationsspielräume", die rechtsextremistische Propaganda
für den surrealen Revanchismus
aufzubereiten versucht. So wird gegen die "Alleinschuld Deutschlands"
gewettert, als sei die Mitschuld Stalins bestritten, aber sie ist längst
Geschichtsbewusstsein auch der russischen Geschichtswissenschaft.
Allerdings wurde von sowjetischer Seite über Jahrzehnte die Existenz,
mindestens die Wirkung des geheimen
Zusatzabkommens geleugnet, denn die Sowjetunion wollte als Garant des
Friedens und des Antifaschismus gelten und war diesem Anspruch mit dem Hitler-Stalin-Pakt
alles andere als gerecht geworden.
Stalins
Zusammenwirken mit Hitler führt bei Rechtsextremisten zu der falschen
Vorstellung, dass die NS-Schuld kleiner sei, weil auch Stalin
Schuld am Zweiten Weltkrieg trifft.
Die NS-Schuld "relativiere" sich dadurch, die Geschichte sei
"umzuschreiben" (=Revisionismus)
und es gebe an den Kriegsergebnissen noch etwas "nachzubessern"
>> "Rückholung" der von Hitler verlorenen Ostgebiete etc.
(=Revanchismus).
All das ist Unfug,
denn
a) taugt die Relativierung dann nicht zur Verringerung von Schuld,
wenn der Schuldige sich Partner für seine Verbrechen sucht und findet,
b)
gibt es nichts "umzuschreiben", was nicht ohnehin
Geschichtsbewusstsein ist,
c) lassen sich Grenzen zwischen Staaten nicht verschieben wie die Förmchen im Sandkasten,
d) werden Grenzen
unwichtiger, je besser sich Völker und Staaten aussöhnen. Letzteres ist
eine der wichtigsten Lektionen aus leidvoller Menschheitsgeschichte.
Nachhilfe für Rechtsextremisten:
1. Wenn zwei Schurken zusammenwirken, dann verringert sich daraus nicht die Schuld des einzelnen Verbrechers, sondern erhöht sich eher noch, denn zwei Schurken sind halt schlimmer als einer.
2. Dass der Schurke Stalin am Ende auf dem Siegertreppchen stand und dem Schurken Hitler nur noch der Selbstmord blieb, war für die Menschen im Osten schlimm, denn so waren sie nur einen Schurken los.
3. Wenn hier von Schurken die Rede ist, dann werden deren Gegner dadurch nicht zu Engeln. Aber die schlimmsten Schurken sind immer diejenigen, die den Krieg beginnen und die Menschen dem Schurkenvergleich aussetzen.
4. Wer lieber in Ostpreußen
leben möchte als in Bayern, sollte seinen Umzug nicht mit dem Panzer
machen wollen, sondern mithelfen, dass sich die Völker und Staaten so gut
verstehen, dass man mit normalen Umzugsmöglichkeiten auskommen
kann.
sven2000/2004
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