Holocaust-Mahnmal in Berlin Reportage
Holocaust-Mahnmal erkennen, Verantwortung bekennen
All meine früher geübte Kritik kann nicht den Sinn haben, dass der Streit um die Formgebung des Mahnmals über den Zeitpunkt seiner Fertigstellung hinaus geht und zur Nichtannahme des Mahnmals führt, zumal feststeht: dieses Mahnmal erreicht nicht nur uns Antifaschisten, sondern auch die vielen, die von dem Holocaust nichts wissen wollen, nichts lernen wollen für die Jedermanns-Verantwortung in Gegenwart und Zukunft.
Die Dimension des Mahnmals hat Rechtfertigung in der Dimension des erinnerten Verbrechens und der angemahnten Verantwortung.
Die Dimensionen erlauben keine Betulichkeit, keine Behaglichkeit, dürfen provozieren, die falsche Biedermanns-Ruhe verletzen.
Die Dimension ist Inhalt, hat Form genommen, ist faktisch - nun sollte sie uns Chance sein.
Das Mahnmal ist ein Labyrinth. In ihm droht der Mensch verloren zu gehen. Das Motiv ist konkret und prominent genug, um Umdeutungen zu vermeiden, auch wenn die Metapher viel allgemeiner ist.
Das Motiv, also die Sorge um sich selbst und Angehörige, die aus dem Blickfeld geraten, beschreibt lebensnah (todesnah!) die Situation der Holocaust-Opfer und das Höchstmaß an unmenschlicher Schicksalhaftigkeit, dem totalen Verlust menschlichen Selbstbestimmungsrechts.
Von außen betrachtet ist der Holocaust allerdings anders gewesen, kein Schicksal, denn:
1. Der Holocaust war kein Tsunami, kein Naturereignis, nicht unabwendbar, sondern Ergebnis des jahrelangen und systematischen Verrats an Menschen durch Menschen, von denen viele den Nationalsozialismus unterschätzt haben mögen, jedenfalls an die Macht gebracht hatten, unterstützten bis in den Untergang.
2. Der Holocaust war Verrat an Minderheiten durch Mehrheiten, die gedankenlos oder feige zusahen oder halfen, wie Menschen verschleppt wurden und nicht zurück kamen.
3. Der Holocaust war die vorhersehbare Konsequenz eines maximalen Rassismus, indem der Nationalsozialismus die Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft zum "Krebsgeschwür" erklärte, was jeder Deutsche und alle Welt hörte - und die Juden trotz dieses maximalen Angriffs auf die Menschlichkeit mit dem Mörderregime weitgehend allein ließ, sogar noch zustimmte, als der NS seinen Herrschaftsbereich erweiterte.
4. Der Holocaust war die nationalsozialistische Konsequenz des "totalen Kriegs", der seine Bürger an den Fronten verbrauchte und für seine Waffenschmieden Menschen versklavte, die von Menschen über die letzte Lebensenergie hinaus ausgebeutet und gemordet wurden.
5. Der Holocaust war das nationalsozialistische Programm zur Vernichtung des Judentums, das noch die Leichen "verarbeitete" in diesem Konzentrationslager-Staat, zu dem der Nationalsozialismus Deutschland und Europa pervertiert hatte.
6. Der Holocaust war das maximale Verbrechen und Grund dafür, dass der Nationalsozialismus sich seiner Niederlage und dem Weltgericht nicht stellen wollte und Deutschland als Ganzes in den Selbstmord ihres „Führers“ mitzunehmen versuchte.
Wie soll angesichts dessen das Holocaust-Mahnmal aussehen?
Wir sollten und können mit diesem Holocaust-Mahnmal sagen, was es zu sagen gilt:
Aus der Erinnerung heraus Verantwortung bekennen für Gegenwart und Zukunft.
Sven 200505
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>> www.holocaust-mahnmal.de (Stiftung)
>> www.holocaust-denkmal-berlin.de (e.V.)
Korrektur: Nach erneuter Begehung scheint mir der Vergleich mit einem Labyrinth absurd, denn seit die Bauzäune weg sind, öffnen sich alle Wege durch das Mahnmal in Ausgängen. Sven200506