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Grundsätzliches zum Hinduismus   hindutempelHammUentrop200908_4773a.jpg (39484 Byte)

Aus der vedischen Religion entstandene eigene Richtung, der mit circa 80 Prozent die Mehrheit der indischen Bevölkerung angehört und die darüber hinaus in vielen Teilen der Welt verbreitet ist, u. a. in Nepal, Bangladesh, Indonesien, Sri Lanka, Pakistan, Malaysia, Südafrika, Mauritius, den USA und England. Das persische Wort Hindu wurde von Sanskrit saindhava; indisch sindhu („Fluss“ oder genauer der Indus) abgeleitet und bezeichnete im 5. Jahrhundert v. Chr. die Bewohner jenes Landes nach seinem Fluss, dem Indus. Die Hindus bezeichnen sich selbst als „jene, die an die Veden glauben“ (siehe Veda) oder als „jene, die den Weg (Dharma) der vier Klassen (Warnas) und Lebensstadien (Ashramas) befolgen“.

Die Veränderung, die sich seit der Vedischen Zeit(1300-1000 v.Chr.) vollzog, tritt am augenfälligsten in der Zunahme der Götterwelt in Erscheinung. Zwar werden vedische Götter, wie Agni, Mitra, Varuna, Soma noch verehrt, aber sie sind durch persönliche Gestalten immer mehr in den Hintergrund gerückt worden. Das ursprüngliche Pantheon (Oberster Ort, Gericht) wurde durch neue persönliche Götter bestückt.

Die beiden für die Folgezeit zentralen Neuerungen sind die Einsamkeits- oder Alleinheitslehre verbunden mit dem Erlösungsgedanken und die Lehre von der Wiedergeburt in einer neuen Gestalt, die aus den im früheren Leben vollbrachten Taten resultiert.

Der Hinduismus ist eine der bedeutendsten Weltreligionen, nicht nur was die Zahl seiner Anhänger betrifft (ca. 700 Millionen), sondern auch aufgrund des großen Einflusses, den er seit etwa 300 v. Chr., während seiner langen Entwicklungsgeschichte, auf die vielen anderen Religionen ausübte. Der Hinduismus, der in hohem Maße dazu neigt, fremde Elemente aufzunehmen, wurde seinerseits von diesen unterschiedlichen Religionen beeinflusst, was zum größten Teil zu seinem ausgeprägten Synkretismus, d. h. zu der Vielzahl von Glaubensformen und Praktiken, führte. Neben der hinduistischen Lehre führten insbesondere die geographischen und wirtschaftlichen Bedingungen in Indien dazu, dass sich der Hinduismus zu einem sozialen und religiösen System entwickelte, das alle Aspekte des menschlichen Lebens bestimmt.

Da die Schriften des Hinduismus mehr von den Taten der Menschen als von ihrem Denken handeln, findet man, obwohl es nur wenige Praktiken und Glaubensformen gibt, die von allen ausgeübt werden, eine weitaus größere Übereinstimmung im Verhalten der Hindus als in ihrem Glauben. Neben der Rezitation der Gayatri-Hymne bei Morgengrauen gibt es keine festgelegten oder vorgeschriebenen Gebete. Die meisten Hindus verehren Shiva, Vishnu oder die weibliche Gottheit Devi. Darüber hinaus werden von Dörfern und einzelnen Familien Hunderte von kleineren lokalen Gottheiten angebetet. Es gibt einige wenige Praktiken, die bei fast allen Hindus üblich sind: die Hochachtung gegenüber ihren Priestern, den Brahmasamadsch, und die Verehrung der Kuh, das Verbot Fleisch, insbesondere Rindfleisch, zu verzehren sowie die Eheschließung innerhalb der Kaste (Jati), wobei die Hoffnung auf männliche Nachkommen vorherrscht. Neben der Hierarchie des Gesellschaftssystems, die untrennbar mit der Religion verbunden ist und jeder Person ihren Platz im einheitlichen Gefüge zuweist, gibt es im Hinduismus weder ein Lehrgebäude noch die Hierarchie einer religiösen Institution.

Die höchste kanonische Autorität aller Hindus ist die Vedanta (Abschluss der Veden). Um 600 v. Chr. begann die Entstehung der Upanishaden, jener mystisch-philosophischen Meditationen über den Sinn des Lebens und das Wesen des Universums.

In den Erzählungen ist gleichzeitig eine komplexe Kosmologie enthalten. Die Hindus betrachten das Universum als große, geschlossene Sphäre, als kosmisches Ei, das zahlreiche konzentrische Himmel, Höllen, Meere und Erdteile enthält und in deren Mittelpunkt sich Indien befindet. Vom goldenen Zeitalter bzw. Krita-Yuga ausgehend, gelangt man über zwei Zwischenperioden, geprägt vom fortschreitenden Verfall der Güte, zur Gegenwart bzw. dem Kali-Yuga. Am Ende jedes Kali-Yugas wird die Welt durch Feuer und Flut vernichtet, und ein neues goldenes Zeitalter bricht an. Das menschliche Leiden ist gleichfalls einem Zyklus unterworfen: Nach dem Tod verlässt die Seele den Körper und wird im Körper eines anderen Menschen, eines Tieres, einer Pflanze oder eines Minerals wieder geboren. Diese endlose Kette von Leben und Wiedergeburten wird Samsara genannt (Seelenwanderung). Das Schicksal des Menschen in dem neuen Leben wird dabei von seinen in den vorhergehenden Leben angesammelten guten oder bösen Taten, dem Karma, bestimmt. Die Hindus glauben daran, dass das Karma durch Buße und Rituale aufgearbeitet werden kann und dass der Verzicht auf weltliches Begehren zur Erlösung (Moksha) aus dem ewigen Kreislauf der Geburten, dem Samsara, führt.

Die Hindus können dementsprechend in zwei Gruppen unterteilt werden: diejenigen, die nach der heiligen und weltlichen Belohnung (Gesundheit, Wohlstand, Nachkommen sowie einer vorteilhaften Wiedergeburt) in der Welt suchen und in jene, die nach Erlösung von der Welt suchen. Die Grundsätze des ersten Weges, die auf die Veden zurückgehen, werden heute vom Tempelhinduismus, von der Religion der Brahmanen und vom Kastensystem vertreten. Der zweite Weg, der in den Upanishaden vorgeschrieben wird, ist nicht nur Hauptziel der Entsagungskulte (Sannyasa), sondern auch das Ideal der meisten Hindus.

Die weltliche Richtung des Hinduismus wurde ursprünglich von drei Veden geprägt, von drei Gesellschaftsklassen (Varnas), drei Lebensabschnitten (Ashramas) und den drei Zielen der Männer (Purusharthas), wobei die Ziele oder Bedürfnisse der Frauen in den alten Texten selten erwähnt werden. Den ersten drei Veden wurde eine vierte, die Atharvaveda, hinzugefügt. Die ersten drei Klassen (Brahmanen oder Priester, Kshatriyas oder Krieger und die Vaishyas oder gemeines Volk) wurden von der Dreiteilung der antiken römischen und griechischen Gesellschaft abgeleitet. Den drei Gesellschaftsklassen wurde die der Shudras oder Knechte hinzugefügt, nachdem sich die Indogermanen im Pandschab niederließen, von wo aus sie das Tal des Ganges besiedelten. Die drei ursprünglichen Ashramas umfassten das keusche Leben der Brahmanenschüler (Brahmatscharya), das Leben als Hausvater (Grihastha) und das Leben als Waldeinsiedler (Vanaprastha). Außerdem hatten sie angeblich drei Schulden zu begleichen: das Studium der Veden, das sie den Weisen schuldeten, einen Sohn, den sie den Ahnen schuldeten, sowie die Opfer, die sie den Göttern schuldeten. Die drei Ziele waren Artha (materieller Erfolg), Dharma (rechtes Handeln, gemäß der sittlichen Gebote sowie den Pflichten der Kaste) und Kama (sinnliche Freuden). Kurz nach Entstehung der ersten Upanishaden und zur Zeit des Aufkommens des Buddhismus im 6. Jahrhundert v. Chr. wurde ein viertes Ashrama und das entsprechende vierte Ziel hinzugefügt: der Entsager (Sannyasi), dessen Ziel die Erlösung (Moksha) von allen anderen Lebensabschnitten, Zielen und Schulden ist.
Für jede dieser beiden Lebensarten eines Hindus wurden eigene sich gegenseitig beeinflussende metaphysische und gesellschaftliche Systeme entwickelt. Das Kastensystem und die ihm zugrunde liegende Philosophie des Svadharma oder des „eigenen Dharma“ entwickelte sich innerhalb des weltlichen Hinduismus. Das Svadharma besagt, dass der Mensch geboren wird, um eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, eine bestimmte Person zu heiraten, bestimmte Nahrung aufzunehmen und Kinder zu zeugen oder zu gebären, die dann ihrerseits in gleichem Sinn leben. Auch besagt es, dass es besser sei, sein eigenes Dharma zu erfüllen als das von anderen, auch wenn das eigene Dharma minderwertig und verwerflich sei wie jenes der Paria. Die Paria werden auch „Unberührbare“ genannt, da schon ihre bloße Anwesenheit den Hindu, der einer anderen Kaste angehört, beflecken könnte. Das oberste Ziel der weltlichen männlichen Hindu ist, einen Sohn zu zeugen und großzuziehen, der dann den Ahnen Opfer darbringen wird (die Shraddha-Zeremonie). Der zweite Weg des Hinduismus, der der Entsagung, stützt sich auf die Philosophie der Upanishaden von der Einheit der individuellen Seele, dem Atman, mit Brahman, der universellen Weltseele oder Gott. Das Erkennen dieser Einheit gilt als ausreichend, um den Hindu von einer Wiedergeburt zu erlösen. Dieser Anschauung zufolge könne nichts die Erlösung mehr beeinträchtigen als die Geburt eines Kindes. Der weltliche Hinduismus hat viele Ziele und Ideale von dem Hinduismus der Entsagung übernommen, insbesondere die Idee vom ewigen Dharma, dem Sanatana Dharma. Dieses ewige Dharma ist ein absolutes und allgemeines ethisches Gesetz, das angeblich alle sekundären, bedingten und besonderen Dharmas umfasst und gleichzeitig transzendiert. Der wichtigste Grundsatz des Sanatana Dharma ist für alle Hindus das Ahimsa, das Gebot, keine Lebewesen zu töten, aus dem der Vegetarismus folgt. Dieser Grundsatz verhindert jedoch nicht die Gewaltanwendung gegen Mensch und Tier bzw. das Blutopfer in den Tempeln.

Neben dem Sanatana Dharma wurden noch zahlreiche weitere Versuche unternommen, die beiden Richtungen des Hinduismus miteinander auszusöhnen. Das religiös-philosophische Lehrgedicht Bhagavadgita beschreibt drei Pfade zur religiösen Vervollkommnung. Dem Pfad der Taten oder des Karma, das sich hier auf Opfer und religiöse Handlungen bezieht, und dem Pfad der Erkenntnis oder Jnana, der Meditation, wurde ein vermittelnder dritter Pfad hinzugefügt, und zwar jener der leidenschaftlichen Hingabe an Gott oder Bhakti. Es ist ein religiöses Ideal, das die anderen beiden Ideale verbindet und gleichzeitig über ihnen steht. In allgemeiner Form kann Bhakti sowohl in den Epen wie auch in einigen der Upanishaden gefunden werden. Seinen vollkommensten Ausdruck findet es jedoch in der Bhagavadgita. Bedeutende Impulse erhält Bhakti aber auch von den einheimischen Gedichten und Liedern an die lokalen Gottheiten, insbesondere jener der Alvaren, Nayanaren und Viraschaivas aus Südindien sowie die Anbeter Krishnas in Bengalen.

Auf diese Weise war es den Hindus möglich, ihren vedantischen Monismus (siehe Vedanta) mit der vedischen Vielgötterei in Einklang zu bringen. Alle individuellen Hindugötter (Saguna genannt, d. h. „mit Eigenschaften“) werden dem Gott (Nirguna bzw. „ohne Eigenschaften“), aus dem diese hervorgegangen sind, untergeordnet. Folglich verehren die meisten Hindus mit Hingabe die Götter (durch Bhakti), die sie in Ritualen (durch Karma) anbeten und die sie aufgrund von Meditation (durch Jnana) als höchste Wirklichkeit erkennen. Die Widerspiegelung dieser höchsten Wirklichkeit ist wiederum die materielle Welt der Erscheinungen, die als bloße Täuschung (Maya) oder als Spiel Gottes (Lila) angesehen wird.

Obzwar alle Hindus die Existenz und Bedeutung einer ganzen Reihe von Göttern und Halbgöttern anerkennen, verehren die meisten individuellen Anbeter einen einzigen Gott bzw. Göttin, von denen Shiva, Vishnu und die Göttin Devi die verbreitetsten sind.

Bei Shiva handelt es sich scheinbar um die Verkörperung zweier gegensätzlicher Naturen, und zwar ist er sowohl Gott der Askese wie auch Gott des Phallus. Er ist die Gottheit der Entsager, insbesondere der vielen Shaiva-Sekten, die ihn verehren. In der Tradition des Mythos, soll Shiva seinen Bruder Brahma geköpft haben, da dieser mit seinen Geschwistern schlief. Als Strafe musste er Brahmas Totenschädel tragen, bis er in der Stadt Benares (heute Varanasi) die Erlösung fand. Weitere Sekten der Shaiva sind die Pashupatas, Verehrer des Shiva Pashupati oder des „Herrn der Tiere“ und die Aghoris, „die nichts entsetzen kann“, Yogis, die Kot oder Fleisch essen, um ihre Gleichgültigkeit gegenüber Freud und Leid zu beweisen. Shiva ist auch der Gott, dessen Phallus (Lingam) das zentrale Heiligtum aller Shivatempel und persönliches Heiligtum im Haushalt jedes Shaiva ist. Einer Legende zufolge ließ sich Shiva beim Liebesspiel mit Parvati nicht einmal durch den Besuch des Weisen Bhrigu stören und wird daher durch den Phallus verehrt. Weiter wird von ihm gesagt, dass er in verschiedenen Gestalten als Mensch, Tier und Pflanze auf der Erde erschien und viele lokale Heiligtümer errichtete.

Vishnu wird als allgegenwärtiger Gott verehrt. Seinem Nabel entsprang eine Lotosblüte, aus der der Schöpfer (Brahma) geboren wurde. Vishnu schuf das Universum, indem er den Himmel von der Erde trennte, und bewahrte es später zahlreiche Male vor dem Untergang. Er wird auch in Gestalt der Avatara oder „Herabkunft“ (Avatara) verehrt, d. h. in seinen verschiedenen Inkarnationen, u. a. als Fisch, Schildkröte und Eber. Andere Inkarnationen sind der Zwerg (Vamana, der sich in einen Riesen verwandelte, um den Dämon Bali aus dem Universum zu verjagen), der Mann-Löwe (Marasimha, der dem Dämon Hirayjakasipu den Bauch aufschlitzte) sowie Buddha (der den frommen Dämonen die falsche Lehre überbringen sollte), Rama mit der Axt (Parashurama, der seine unkeusche Mutter köpfte und die gesamte Klasse der Kshatriyas vernichtete, um seinen Vater zu rächen) und Kalki (der Reiter mit dem weißen Pferd, der am Ende der Kali-Zeitalters kommen wird, um das Universum zu zerstören). Die weitaus bekanntesten Inkarnationen sind Rama (Held der Ramayana) und Krishna (Held der Mahabharata und der Bhagavata-Purana). Beide gelten als Inkarnationen von Vishnu, obwohl sie ursprünglich Helden des Menschengeschlechts waren.

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