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BUDDHA UND SEINE JÜNGER

Alles, was wir von Buddha und seiner Lehre wissen, verdanken wir seinen Jüngern. Buddha hat nichts Schriftliches hinterlassen; er schrieb nicht, er redete. Auch seine unmittelbaren Jünger haben nichts aufgeschrieben. Im alten Indien hatte man zwar eine Schrift, aber man gebrauchte sie nur für profane, weltliche Zwecke. Die Wissenschaft, besonders religiöse und philosophische Lehren und alles, was damit zusammenhängt, vertraute man der Schrift nicht an. Vielleicht wollte man dadurch verhüten, daß solch heilig gehaltenes Wissen in unberufene Hände gelangte; entscheidend war aber wahrscheinlich ein anderer Grund: die mündliche Überlieferung schien zuverlässiger zu sein als die schriftliche. Die Schrift kann mit ihren Zeichen zwar die Worte wiedergeben und die Laute, Selbstlaute und Mitlaute, andeuten, aus denen die Worte bestehen, aber sie bietet keine Gewähr dafür, daß der Lesende die Worte wirklich so ausspricht, wie sie der Meister oder der Verfasser gesprochen hat, mit der gleichen Betonung und mit den gleichen Pausen. Wenn dagegen, wie es im alten Indien üblich war, der Schüler die vom Lehrer vorgesprochenen Sätze genau nachspricht und sie mit ihrem Klang und vielleicht auch mit den Gesten des Lehrers seinem Gedächtnis fest einprägt und das so Gelernte später wieder als Lehrer seinen Schülern genau so vorspricht, dann bleibt das Wort des Meisters über viele Geschlechterfolgen hinaus lebendig. Auf diese Weise wurde im alten Indien die hohe Literatur und mit ihr auch die buddhistische Jahrhunderte lang überliefert. Erst lange nach dem Tode Gotamas, als im buddhistischen Orden der Lerneifer der Schüler nachließ und infolgedessen die Gefahr bestand, daß etwas von dem, was Buddhas Jünger sich gemerkt und weitergegeben hatten, verloren gehen könnte, entschloß man sich, die Überlieferung aufzuschreiben. Das Geschriebene wurde dann im Laufe der Zeit immer wieder abgeschrieben, und beim Abschreiben schlichen sich in der Tat hier und da kleine Schreibfehler ein, die jedoch in der neuesten Zeit durch Vergleichung verschiedener Handschriften von europäischen Gelehrten wieder verbessert werden konnten.

Während die Jünger von Buddhas Reden, Aussprüchen und Lehrgedichten sehr viel und auch viele Angaben über Gotamas Lebenslauf überlieferten, haben sie über sich selbst fast nichts und nur wenig über einander berichtet, und dieses wenige ist über den ganzen Kanon hin zerstreut. Daher kam Hermann Oldenberg, ein Bahnbrecher der Buddha-Forschung, zu der Meinung, daß die Persönlichkeiten der einzelnen Jünger kaum zu erkennen seien; er schrieb:

 "Die großen Jünger, die den Meister umgaben, Sáriputta und Moggallána, Upáli und Ananda, in den alten Erzählungen vollkommen gleich, und ihr Bild ist wieder nichts als das ununterscheidbar ähnliche, nur verkleinerte Abbild Buddhas selbst." . . . "Jeder der großen Jünger sieht dem andern zum Verwechseln gleich; dasselbe Musterbild höchster Reinheit, höchsten inneren Friedens, höchster Ergebenheit für Buddha. Das sind nicht Personen, sondern es ist der fleischgewordene Gemeindegeist der Jünger Buddhas." (Oldenberg, "Buddha, sein Leben, seine Lehre, seine Gemeinde", 5. Auflage, 1906, Seite 162 und 181.)

Wenn man aber die spärlichen und zerstreuten Einzelheiten über die Personen der Jünger sammelt und zusammenfügt, so können doch, wie aus einzelnen bunten kleinen Steinchen, Mosaikbilder entstehen, die durchaus charakteristische Unterschiede der bedeutenden Jünger deutlich erkennen lassen. Es wird sich zeigen, daß die Jünger bei aller Ergebenheit für Buddha doch sehr verschiedenartige Persönlichkeiten waren und blieben, die auch ihre eigenen Meinungen, ihren eigenen Stil, ihre eigenen Redewendungen hatten.

 Im Alter von neunundzwanzig Jahren hatte Gotama sein Heim in Kapilavatthu verlassen und war hinausgezogen, "um das Heilsame zu suchen" ). Gründlich hatte er zuerst bei gelehrten Brahmanen das ganze Wissen seiner Zeit, die Lehren der Upanischaden und des Yoga, erlernt, dann in Gemeinschaft mit fünf anderen Heilsuchern die Yogaübungen unermüdlich betrieben, bis er erschöpft zusammenbrach und die übertriebene Askese als nutzlos und schädlich erkannte. Nachdem er sich wieder erholt hatte und, nahe dem Dorf Uruvela unter einem Feigenbaum sitzend, in einem neuen Verfahren der Geistessammlung das entscheidende große Erlebnis gewonnen hatte, war er ein Buddha, ein Erwachter, geworden. Das Erlebnis nennt man seitdem die Bodhi oder das Erwachen und den Baum den Bodhibaum.

Anfangs neigte Buddha dazu, über sein Erlebnis Stillschweigen zu bewahren, weil es alles Denken übersteigt und deshalb nicht durch Worte mitgeteilt werden kann. Er befürchtete, daß man ihn nicht verstehen würde, wenn er darüber spräche, und daß ihm daraus nur Verdruß erwachsen würde. Bald aber überwog in ihm das Mitgefühl mit der leidenden Menschheit und er entschloß sich, zwar nicht das Erlebnis selbst, das ja nicht in Worte zu fassen ist, wohl aber den Weg zu verkünden, auf dem auch andere Menschen zu demselben Erlebnis gelangen können. Hoch beglückt rief er aus: "Das Unsterbliche ist gefunden!" und wanderte nach dem Gazellenhain bei Benares, wo sich, wie er wußte, jene fünf Heilsucher aufhielten, die ihn verlassen hatten, als er nach seinem Zusammenbruch die Yogaübungen aufgab. Er begrüßte sie mit dem Ruf: "Öffnet euer Ohr! Das Unsterbliche ist gefunden!" und verkündete ihnen die "vier edlen Wahrheiten", deren vierte der "achtfache Weg" ist, der Weg zum Unsterblichen.

  
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