Hallo Gast,
keinem vernünftigen Menschen wäre es nett hier, wenn wir uns bedenkenlos oder überhaupt die Schädel einschlügen. Indes gibt es viele Leute, ob religiös oder nicht, die Bedenklichere verspotten, wenn sie Bomber legen oder abwerfen, wer da getroffen wird; desgleichen mit Worten.
Aus vielen Diskussionen (leider gehackter Foren) kennen wir, dass der Zufall vielen Menschen trotz Andersverlautbarung nicht "langweilig" ist, sondern Ängste macht, (sich/anderen) das eigene Dasein begründen zu sollen, aber nicht ausreichend zu können und Sinnleere zu empfinden. Es ist wie eine Art Wunschkind-Anspruch mit Verlängerungsgarantie. Der Schöpfungsakt durch Papa und Mama erscheint manchen vielleicht zu dürftig, um nicht der Banalität oder des Irrtums verdächtig zu sein; oder zu unvollkommen, wenn im Anschluss zu wenig funktioniert oder es nur noch ums Funktionieren geht - und die Rente sei sicher, während die Kreativität des menschlichen Geistes verhungert oder gar noch Zerstörung erdulden muss.
All solchem Dilemma verspricht die Religion Abhilfe: "Du bist gewollt. Du bist umsorgt in alle Ewigkeit. Du brauchst nur den Zeichen zu folgen. Und wirst zum Licht." - Alle Religionen geben solche Versprechen, der Angst vor dem Nichts beizukommen, die Unzulänglichkeit zu überwinden, was zwingend voraussetzt, auf die Unzulänglichkeit zu bestehen, da sonst die Gefolgsamkeit enden könnte.
Der Zufall kann nur langweilig sein, wem er nicht schadet, nicht nutzt. Sobald er aber relevant erscheint, sucht die Vernunft hinter jedem mutmaßlichen Zufall nach natürlicher und/oder kultureller Gesetzmäßigkeit, nach Einflussmöglichkeiten zum Besseren. Das macht die Wissenschaft, der Bäcker nicht anders. Und vernünftige Religiöse machen es ebenso wie vernünftige Atheisten. Es hängt von vielerlei ab, ob und wem der mutmaßliche Zufall "langweilig" oder Herausforderung ist.
Und dennoch bleiben Fragen offen, als Zufälle, die moralischen Menschen unbequem sein können: z.B. das Glück, in den Wohlstand geboren und den im Elend Unglücklichen etwas schuldig zu sein. Und tatsächlich können wir auch an solche "Zufälle" heran, indem wir die Verhältnisse allgemein besser zu ordnen, wobei das Bemühen nach Kräften genügen darf, um nicht am Elend der Welt zu erkranken.
Die Selbstgerechtigkeit neigt dazu, die schlechte Ordnung bewahren zu dürfen. Der Fatalismus neigt dazu, die Ordnung für unveränderlich zu halten. Die Frömmelnden neigen dazu, das Unheil als undurchdringlichen Willen Gottes zu interpretieren, als Teufelswerk, als göttliche Strafe mitunter. Und die religiösen Institutionen neigen dazu, die Hinterfragung zu tabuisieren, nicht selten nach dem Schema, dass je weniger der Mensch emanzipiert ist, desto mehr Schaf ist er - und desto mächtiger diejenigen, die zur Hirten berufen seien und lenken - mal mit dem Zuckerbrot der Frohen Botschaft, dass Sündenvergebung auch denen gelte, die nicht wissen, was sie tun, mal mit der Pein, dass für Uneinsichtige im Himmel kein Platz sei, sondern Zähneklappern und schlimmer.
Das Bild mit Hirte und Herde kann den Schafen nicht wirklich romantisch
sein, aber eingelullt in oft genug wiederholten Zitaten und den Deutungen
durch die Hirten - da fallen die Ungereimtheiten nicht mehr auf. Niemandem
schmeckt das erste Bier, der erste Wein, niemandem schmeckt die erste
Zigarette des Lebens, aber nach der zehnten oder siebzigsten Dosis kann sich
das ändern: Genuss und nicht selten bis hin zur Abhängigkeit.
Aus der Erfahrung des Alltags und der Menschheitsgeschichte hat die Vernunft
gegen die Unvernunft zu streiten, sobald aber Religiöse und Atheisten
gegeneinander streiten und nicht (erforderlichenfalls/sinnvollerweise
gemeinsam) gegen die Unvernunft eben auch immer in den eigenen Reihen, bricht
sich der Irrtum Bahn, die Verleumdung, das Verbrechen.
Darum kann auch der ökumenische Schulterschluss kein Segen sein, sobald er
sich gegen Atheisten richtet, wie umgekehrt auch kein atheistischer
Schulterschluss gegen die Religionen.
"Eine Ethik für die ganze Welt" - so titelst du deinen Beitrag.
Auch zwischen den liebsten Eltern und Kindern kann Uneinigkeit sein, was die
Moral betrifft, was wichtig oder unwichtiger ist, wie auch Glaubensfragen
betreffend, weil kaum etwas oder vielleicht gar nichts ohne Veränderung ist.
Beobachte es an dir, indem du deine Texte über Jahre sammelst und immer mal
wieder auf die Grenzen der Richtigkeit prüfst. Die Vergewisserung ist
wichtiger als die Gewissheit. Folglich desgleichen mit Selbstvergewisserung
und Selbstgewissheit.
"Eine Ethik für die ganze Welt" - vielleicht wäre das ja
langweilig. Nicht zwangsläufig, denn Einigkeit tut sich leichter, wenn es um
gemeinsame Aufgaben geht, wie umgekehrt der Streit zwar spannungsgeladen und
dennoch langweilen kann, wenn sich nichts bewegt oder zu oft im Kreise dreht.
"Eine Ethik für die ganze Welt" - in vielen Belangen ist das
ohnehin, denn vieles unterscheidet sich nur in den Metaphern, weshalb Hans Küng
zutreffend und fordernd von Weltethos spricht, aber Unterschiede zu Gegensätzen
hochstilisieren bleibt Geschäftigkeit derer, die daraus bloßen Machtkampf
rechtfertigen wollen, worunter der Inhalt leidet.
Zufall - Glück, Unglück, Unverstand, aber ist
oft auch einfach die Vielfalt als Folge aus Freiheit.
"Eine Ethik für die ganze Welt" - Wenn sie weniger bluten soll,
dann braucht es Akzeptanz für den Pluralismus, denn die Welt ist mehr als
alle Anschauungen von ihr.
Markus S. Rabanus