Weltsicherheitsrat und Bedeutung

Tachjen Badner,

Steinmeier dürfte die israelische Forderung an den Weltsicherheitsrat mitbekommen haben und soll sich nun bei seinem Jerusalembesuch genau beobachtet wissen. Allerdings bin ich ja der Auffassung, dass Forderungen der Streitparteien an den Weltsicherheitsrat allenfalls inhaltlich kritisiert werden sollten, nicht aber, wie Steinmeier es gegenüber dem Libanon machte, dass sich die Streitparteien aus der Entscheidungsdiskussion rauszuhalten hätten.

Immerhin unterstützte Steinmeier den libanesischen Vorschlag inhaltlich, wonach der Libanon mit eigenen Streitkräften den Süden des Landes besetze, wenn dort die Hisbollah die Waffen niederlege. Das dürfte ein Teil eines vernünftigen Sicherheitskonzepts sein. Dummes Zugeständnis Steinmeiers an Israel, dass er die libanesische Stimme im Vorfeld der Sicherheitsratsentscheidung zum Verstummen bringen will.

Aber ich widerspreche Dir, dass Israel etwas dem Weltsicherheitsrat "diktiere", denn auch wenn Israel "Bedingungen für den Rückzug nennt" und damit androht, dass eine anderslautende Entschließung nicht befolgt werde, so ist das kein "Diktat", sondern stellt den Weltsicherheitsrat vor ein anderes Problem, wie nämlich Israel zur resolutionsgemäßem Verhalten veranlasst werden kann.

Der Unterschied zwischen "Diktat" und "Problem" ist deshalb wichtig, weil a) der Weltsicherheitsrat auch gegen Israels Verbleib im Libanon entscheiden könnte, b) niemand Israel einreden sollte, es könne "diktieren". 

Wenn am Ende die USA dennoch eine Resolution durchdrücken, die keinen Abzug Israels vorsehen, so liegt das an der prinzipiellen Strategie-Identität der USA und Israels, die Konflikte der Welt und des Nahen Ostens als "Terrorismus", als "Kampf gegen das Böse" einzustufen und militärisch eliminieren zu können.

Solche Übereinstimmung ist inhaltlich falsch, aber ebenfalls kein "Diktat", denn die übrigen Weltsicherheitsratsmitglieder sind nicht gezwungen, dem zuzustimmen und würden anders entscheiden, wäre da nicht das Vetorecht.

Vetorecht und Diktat sind verschiedene Dinge. Das ist wichtig zu verstehen, denn Vetos "blockieren", aber das reicht ans "Diktieren" nicht dran. 
Den Unterschied versteht man spätestens, wenn man mal an Verhandlungen beteiligt war, in denen es auf die Zustimmung aller und nicht nur der Mehrheit ankommt. Politisch mögen wir das nicht - zurecht, aber in der Wirtschaft ist es die Regel. Zwar nicht in internen Dingen, aber sobald man mit anderen Unternehmen Verhandlungen führt.

Das Vetorecht bewirkt also im Vergleich zur Mehrheitsentscheidung, dass die Kompromiss-Suche noch intensiver sein muss, aber ganz ohne Kompromisse sind natürlich auch Mehrheitsentscheidungen nicht. So folgt aus dem Vetorecht das, was wir andauernd erleben: weitgehende Entscheidungsunfähigkeit, Stagnation des Weltsicherheitsrates.

Wer von "Diktat" im Kontext des Vetorechts spricht, übt Polemik gegen Vetomächte-Verhalten, aber trifft es in der Sache nicht. Man sollte es lassen. Und wer das Vetorecht angehen will (wie ich), soll es gut begründen und sich über die Konsequenzen im Klaren sein.

Vermutlich wird der Weltsicherheitsrat keinen Rückzug der Israelis fordern, wenn Israel dem nicht vorab zustimmt oder wenn der Weltsicherheitsrat die Forderungen Israels nicht entsprechen will.

Das wäre dann eine Bestätigung des israelischen Vorgehens durch den Weltsicherheitsrat. 

Welcher Rechtsnatur ist solche Resolution? 

Über die Legitimität ließe sich endlos streiten, denn der Weltsicherheitsrat ist weit entfernt von einer demokratisch gewählten Weltregierung und beherzigt nicht das Gewaltenteilungsprinzip, was zur Folge hat, dass seine Entscheidungen von unabhängiger Gerichtsbarkeit nicht nachprüfen, anfechten lässt. 

Deshalb würde ich dem Weltsicherheitsrat aber die Legitimation nicht vollends bestreiten, denn Legitimation ist mir kein paradiesische Vollendung, sondern eine Frage des Mehr und Weniger. 

Allenfalls religiöse Legitimationen würde ich vollends bestreiten, denn "Von Gottes Gnaden" kann tatsächlich nur die Hoffnung von Religiösen sein.

So bleibt unter dem Strich: Der Weltsicherheitsrat befindet, sobald er sich nicht selbst durch Vetorechte blockiert, über das Völkerrecht, was jemand darf, was nicht.

Wer anderes sagt, beispielsweise: "Sicherheitsrat ist bedeutungslos" usw., der redet der Anarchie das Wort und provoziert häufig genug exakt die Situationen, die er vom Sicherheitsrat geändert sehen wollte - und die auch nur der Sicherheitsrat ändern könnte, denn das Recht des Stärkeren (Staates) ist nur dann eingedämmt, wenn ein Globales Gewaltmonopol an die Stelle der "Nationalen Selbstverteidigung" tritt, wie es das gegenwärtige Völkerrecht jedoch immerhin zum Kernbestand der nationalen Souveränität zählt.
>> www.inidia.de/nationale_selbstverteidigung.htm
>> www.inidia.de/globales_militaermonopol.htm

Völkerrecht ist nichts von Endgültigkeit. Es kann damit nicht anders als mit jedem anderen Recht sein: Veränderlichkeit. Gut oder schlecht wie diejenigen, die es machen. - Eigentlich klar, aber ich sage es trotzdem, damit man sich nicht nur der Relativität bewusster wird, sondern auch flexibler in der eigenen Haltung zu den Realitäten, wenn sie einem nicht gefallen sollten.

Völkerrecht kann Unrecht sein, aber hat Geltung, wenn es durchsetzbar ist. Sollte man die Durchsetzbarkeit hindern, wie es sich alle Streitparteien einbilden, tun zu dürfen, sobald ihnen eine Weltsicherheitsratsentschließung unpässlich ist, als "Unrecht" erscheint? 

Ich würde das Recht auf militärische, terroristische Widerstände gegenüber den Weltsicherheitsratsentschließungen verneinen, denn zumindest spiegelt die Politik des Weltsicherheitsrates die tatsächlichen Militärkräfte so weitgehend wider, die ausreichen würden, einen Konflikt zwar nicht demokratisch, aber militärisch entscheiden zu könnten. 

"Widerstand zwecklos" stimmt mir also - und zwar bezogen auf gewalttätigen Widerstand. 
Der politische Widerstand kann richtig sein, aber mir nur dann, wenn er es auch wirklich ausschließlich ist, also dem gewalttätigen Widerstand keine Stütze, sondern Gegner ist.

Auch das ist zu unterscheiden wichtig, wie zu unterscheiden wichtig ist zwischen "Gemäßigten" und "Mäßigenden". 
Die "Gemäßigten" sind nämlich immer auch Teil der Eskalation, Basis der "Ungemäßigten".

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Heute berät das israelische Sicherheitskabinett und wird vermutlich allen kriegsanfänglichen Erklärungen entgegen die "Ausweitung der Bodenoffensive" beschließen, also weitere Fakten gegen einen Waffenstillstand und gegen Rückzugsforderung schaffen. Steinmeier ist in Jerusalem und wird "zur Mäßigung mahnen". 
Steinmeier ist ein "Gemäßigter", aber kein "Mäßigender".

Frieden geht anders. Die "Feinde" müssen miteinander verhandeln. Und zwar alles, was streitig ist. - Das müsste Steinmeier in Israel sagen.

lb.Grüße von Markus Rabanus        >> DISKUSSION

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