Weltbilder sind Menschenbilder

[quote] "Inwieweit dieser Aufsatz repräsentativ für islamisches Denken ist, muss ich noch herausbekommen."[/quote]

Hallo Richard,

Du wirst ihn vermutlich für "repräsentativ" halten, denn ich kenne die Website seit langem und hatte mit ihr Kontakt, den man dort auch findet. Sie ist interessant, aber neigt herausgeberseitig zu drastischen politischen Kommentaren, die ich als "islamistisch" bezeichnen würde. Nicht viel anders ist es meist den dort empfohlenen Artikeln.

Lesen kann trotzdem lohnend sein, aber immerhin ist es damit vergleichbar, als wolltest Du Dich bei der DVU oder den Republikanern über Deutschland erkundigen.

Oder ich lasse Dir von meiner Tochter eine Vivaldi-Sonate "geigen" und wenn Du es nicht schon einmal anders interpretiert gehört hast, könntest Du rasch zu der Auffassung gelangen, dass Vivaldi "richtig sche--e klingt".

Im Sinne der Dialogie müsstest Du anders vorgehen: bevor Du Dich mit extremen Positionen des Islam auseinandersetzt, solltest Du Dich mit den Grundlagen befassen, wie er dann doch eher bei
www.islam.de  zu finden ist. 
Wir brauchen hier zur Auseinandersetzung mit extremen Positionen Kenntnis der dialogischen bzw. pluralistischen Ansatzpunkte. Wenn Du hingegen mit "tendenzieller" Religionsfeindlichkeit daher kommst, hast Du es mit Religiösen ungleich schwerer, wirst sie "verpassen", aber auch die Korrekturmöglichkeiten für Dein Denken.

Es gibt im Prinzip keinen einzigen Menschen, der sich nicht eine "bessere Welt" wünschen würde. Abstrakt wären sich in solch Wunsch Jesus und Hitler gleich. So auch ich und meine Nazis. Der entscheidende Unterschied ist jedoch inhaltlich und daraus, dass die Tendenzen der Glücksuche so auseinander streben: je mehr für sich, desto weniger für andere oder sogar über deren Leichen hinweg. 
Macht man sich aus solcher Irrung bewusst in Richtung Freiheit in Solidarität auf den Weg, wird man mitunter so weit gehen wollen wie ich und mit Nazis oder Bin Ladens sprechen, um ihnen zumindest die Feindschaft zu brechen, eben nur notfalls das Genick, aber Notfälle sind mir streng definiert. Ansonsten kann Bin Laden dennoch seine dann religiöseren Reden halten und der Nazi soll Blondinen anhimmeln, wozu übrigens auch ich neige, denn Rückfälle erleidet jeder, nur eben verschieden weit. 

Du solltest also Deine knappe Zeit - und aktiven Menschen ist sie stets knapp - darauf verwenden, positive Anknüpfungsmomente zu finden und zu entwickeln. Leichter ist es, wenn man sie nicht erst "erfinden" muss.

Der Islam tut sich schwer. Gerade jetzt. Aber gerade jetzt gewinnen in ihm auch deshalb die extremistischeren Kräfte Auftrieb, weil fast "gesetzmäßig" ist, dass je zugespitzter die Lage, desto mehr setzt der daran zu erkennende dumme Mensch auf größere "Entschiedenheit".

Wenn beispielsweise der Terroristenbekämpfer Bush sein Handeln nicht mehr unter die Maxime des Rechts stellt, sondern unter die Maxime der Effektivität im Bezugsrahmen seines intellektuellen Horizonts, so gehen Fixpunkte, Maßstäbe verloren und alle Seite streben zum Extrem >> Als sei die Welt ein Basar: "Wer viel fordert, bekäme viel, was eben nur stimmt, solange sich die Beteiligten Tschüss sagen, wenn sie den Kompromiss nicht finden, weil sie ansonsten verbluten.

[quote]Richard: "Meine Ideologiekritik schwebt natürlich nicht im luftleeren Raum, ... "[/quote]
a) Das hat hier gewiss niemand von Dir angenommen - und im luftleeren Raum wäre auch das Streichholz "tendenziell" ungefährlicher - und lebt sich dort gleichwohl kürzer,
b) keine "Ideologiekritik" kommt ohne eigene Ideologie aus, so dünn sie auch sein mag oder so "objektiv" sie sich glaubt, was zudem die Bewandtnis hat, dass jedes Weltbild Menschenbild ist, ansonsten bestünde kaum Gefahr - im luftleeren obendrein noch heißt, dass . 

[quote]Richard: "Meine Ideologiekritik ... ist zweckgerichtet: Ich halte den säkularen oder laizistischen bürgerlichen Rechtsstaat bzw. die Offene Gesellschaft für erhaltenswert und religiös geordnete Gemeinwesen wegen des Absolutheitsanspruchs, den Religionen tendenziell haben, hinsichtlich Pluralität für gefährlich."[/quote]
a) ich bestreite nicht solchen "Erhaltenswert" und zwar in vollständiger Verteidigungsbereitschaft,
b) aber von der Warte vieler Muslime stellt sich oftmals der "säkulare, bürgerliche und pluralistische Rechtsstaat" als "tendenziell gefährlich" dar. 

Das pluralistische und rechtsstaatliche Konzept des Westens ist in vielen Regionen der Welt kaum anders bekannt als durch den Tourismus, die Musik, den Film, den Welthandel, der die einheimischen Wirtschaften platt macht, mitunter tritt ihnen der rechtsstaatliche Westen auch gegen das Völkerrecht mit Kriegsschiffen und Motherbombs in Erscheinung. 

Kurzum alles eine Frage der Perspektive + dieses "perspektiv" gilt meist mehr als unser "objektiv", das unsereins zu schnell ins Schwärmen kommt, wenn man geistig nicht im F-15 sitzt, sondern irgendwo weiter unten Sorge um die Dachziegel hat.

Und die "offene Gesellschaft"? verteilt Greencards. Wir zwo brauchten für Germany keine. - Nun gut, so ein Zuwanderungsgesetz ist halt auch ein Bleibdraußengesetz - ein bisschen Schwein muss sein - und jeder Mensch hat bekanntlich gleiche Chancen. Bis auf die in Uganda.

Lieber Richard, Du kommst denen mit dem vermeintlichen "Absolutheitsanspruch" und solltest daran zumindest so viel relativieren, wie Du am "Konzept der Offenen Gesellschaft" relativieren musst, wenn Du sie als "Alternative" zu den "Geschlossenen Gesellschaften" erachtest. 

Die Gesellschaftssysteme, so entgegengesetzt sie sich präsentieren wollen, kommen "objektiv" nicht ohne einander aus. 
Auch darin liegen Chancen, aber nur im ehrlichen Umgang miteinander, ansonsten wird nischt draus.

Wenn ich bei Dir immer nur verärgert wäre, so würde ich übrigens anders schreiben, aber ich seh in Dir den Jesus, den Hitler mit ihren konträren Heilsvorstellungen und stelle mir vor, Du würdest einen vernünftigen Weg für Dich finden.

Grüße von Sven
dem Erleuchteten - Sonne scheint mir auf den Monitor -

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