Verwaiste Werke

Die Verwertungsgesellschaften scheinen eine Leistungsschutzabgabe auf "verwaiste Werke" durchsetzen zu wollen, die nur in seltensten Fällen Sinn macht, aber hauptsächlich einen lobbyistischen Angriff auf kostenlose Kultur darstellt. 

Wikipedia definiert 20120712: "Als verwaistes Werk kann man die englische Formulierung orphan work oder orphaned work übersetzen. Im Urheberrecht meint man damit ein Werk, dessen Urheber oder Rechtsinhaber nicht oder nur sehr schwer zu ermitteln ist."

Im Web gibt es viele Werke, die sich urheberrechtlich nicht zuordnen lassen. Solche Werke sämtlich als "verwaiste Werke" zu bezeichnen, ist unzutreffend, wie einige der nachstehenden Fallgruppen zeigen:
 
1. Wenn sich ein Urheber anonym bleiben wollte, dann ist es ein "anonymes Werk", kein "verwaistes Werk".

2. Wenn ein Urheber keine urheberrechtlichen oder zumindest keine verwertungsrechtlichen Ambitionen hegte, steht dieser Wille ohnehin dem Urheberrecht und der Verwertung entgegen und wird vom Gesetzgeber bislang ignoriert.

3. In Internetforen, bei Wikipedia, Youtube usw. "verwaisen" Werke, sobald deren Urheber ihre Kontaktdaten nicht aktualisieren und nicht mehr ermittelt werden können.

Vollkommen selbstverständlich und pervers für die Verwerter-Lobby, dass sie sich für ihre "Urheber" solch fremde Urheberrechte als eigenes Verwertungsrecht anmaßen wollen. 
Insoweit die Verwerter-Lobby bescheidener auftritt und solche Abgabe nicht für sich, sondern für eine dafür spezielle Institution fordert, geht es ihr schlicht um die Ausschaltung der Kostenlosigkeit, denn die Kostenlosigkeit ist Konkurrenz jeder Verwerterei. 

So können die Inidia-Webs in die Situation geraten, für alle anonymen Zusendungen eine "Leistungsschutzabgabe" zu schulden, obgleich wir das Werk im WWW ausschließlich bei uns finden und die Priorität nachweisen können. Aber das Prioritätsprinzip hilft dann nicht mehr, wenn wir den Urheber nicht nachweisen können, wie es in Anbetracht der schlussendlichen Anonymität internettypisch und auch nach ursprünglicher User-Registrierung über die Jahre besehen unvermeidlich ist.

Desgleichen Problem stellt sich für Wikipedia-Deutschland, denn überhaupt niemand kann gewährleisten, dass Urheber endlos erreichbar bleiben. Mit jedem inaktiv gewordenen Autoren-Account müssten praktisch dessen komplette Arbeit gelöscht werden.


Ganz abgesehen von Provokateuren, die Webs gezielt mit Urheberrechtsverletzungen angreifen/angreifbar machen.

Kaum jemand ahnt, wie verhasst Wikipedia den Verlagslobbyisten ist, denn der Verlagsjournalismus weiß, dass es ungeschickt wäre, das von den meisten Internetusern hoch geschätzte Wikipedia anzugiften. So wird bloß an der Qualität rumgenörgelt, obgleich von ausnahmslos allen Journalisten genutzt, aber eben noch nicht im Verwertungsmonopol.

Die kostenlosen Urheber sind der Verwerter-Lobby entweder Idioten oder Contentpiraten. Drum wollen sie auch beim OpenContent abkassieren und tönen: "Wir sind die Urheber!" - Das bestreitet ihnen niemand, aber die Lobby bestreitet es anderen.

Markus Rabanus  20120710/12   teilw. entnommen aus meiner >> Kritik am Leistungsschutzgesetz

Urheberrecht        >> Urheberrechtsdebatte