Sah sich Jesus als "Sohn Gottes"?
"Sohn Gottes" war lange vor Jesu Zeiten Titel und Selbstverständnis vieler Religiöser, Herrscher, beispielsweise der ägyptischen Pharaonen ("Sohn des Osiris").
Sah sich Jesus als "Gott"?
Jesus betete zu Gott, nicht zu sich. Die ihn zitierenden Worte zeugen eher davon, dass er sich in Gehorsamkeit gegenüber Gott übte, sehr wohl aber seiner Gehorsamkeit gewiss war.
Erst das ca. 160 Jahre nach Christi Geburt spät geschriebene Johannes-Evangelium bringt Passagen, die Jesus allmächtig erscheinen lassen. Doch auch dort stellt sich Jesus unter die Gebote, so dass die vermeintliche Allmacht eben auch bloße Vertretungsmacht sein kann.
Für den Christus-ist-Gott-Glauben wird häufig das Jesus-Wort in Johannes 10,30 zitiert: “Ich und der Vater sind eins.” Als ihm aber das kritische Publikum deshalb "Gotteslästerei" vorwirft, weist er ausdrücklich darauf hin, dass Gott praktisch alle Gehorsamen als "Götter" anspreche. Deshalb scheidet auch Johannes 10,30 als Grundlage für den Glauben aus, dass Jesus Gott sei.
Wer machte Jesus zum "Gott"?
Im Jahr 325 berief der römische Kaiser Konstantin I. das Erste Konzil von Nicäa (nahe Konstantinopel) ein, auf dem beschlossen wurde, dass Jesus der "einzige Sohn Gottes" und somit selbst "Gott" und mit Gott identisch sei. Andersgläubigen drohte das Konzil die Todesstrafe an. - Spätestens das war unchristlich.
Auf dem Konzil von Ephesos im Jahre 431 wurde dann das wörtliche Glaubensbekenntnis von Nicäa ausdrücklich bestätigt und erklärt, dass es nicht verändert werden dürfe: Wir glauben an einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren. Und an den einen Herrn Jesus Christus, den Sohn Gottes, der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, das heißt: aus dem Wesen des Vaters, Gott aus Gott, Licht aus Licht, wahrer Gott aus wahrem Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater (homoousios tou patri); durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf Erden ist; der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist, Mensch geworden ist, gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist, aufgestiegen ist zum Himmel, kommen wird um die Lebenden und die Toten zu richten; Und an den Heiligen Geist. Diejenigen aber, die da sagen „es gab eine Zeit, da er nicht war“ und „er war nicht, bevor er gezeugt wurde“, und er sei aus dem Nichtseienden geworden, oder die sagen, der Sohn Gottes stamme aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit, oder er sei geschaffen oder wandelbar oder veränderbar, die verdammt die katholische Kirche. |
Nun die Kurve
Wenn sich Muslime freuen, dass auch ich das Neue Testament so interpretiere, dass sich Jesus nicht selbst vergöttert habe, sondern die Jesus-Vergötterung eine Entwicklung im Christentum war, so ist es dennoch Glaubenssache, wie auch Glaubenssache ist, dass Mohamed dem Erzengel Gabriel begegnet sei.
Wenn islamische Gelehrte predigen, Jesus könne schon deshalb nicht Gott gewesen sein, weil Maria "40 Tage unrein" gewesen oder weil er überhaupt geboren sei, weil sich Gott nicht kreuzigen lasse usw., so hängen die Prediger zwar strenggläubig ihrem Propheten an, sind aber nicht strenggläubig gegenüber Gott, denn sie hätten Gott keine Vorschriften zu machen, was Gott kann oder tun würde - und sei es, "unrein" geboren zu sein.
Strenggläubigkeit kann immer nur die HOFFNUNG sein, dass man sich im Glauben nicht irrt.
msr-200905 Religionsforum Religionslexikon