| 
        von Sven Redaktion am
        5.Sept.2003 
 Hallo Thilo,
 
 vielen Dank für Deinen Beitrag und er freut mich tatsächlich.
 
 Dennoch sind einige Grundannahmen falsch, so zunächst, dass "eine
        Planwirtschaft die Produktion auf die exakte Nachfrage (Bedarf)
        abstelle". Zum einen ist "Bedarf" ungleich
        "Nachfrage" im ökonomischen Sinne, weil letztere
        "Kaufkraft" beinhaltet.
 
 Planwirtschaft wäre vielleicht mächtig, den "Bedarf" zu
        ermitteln, nicht aber die "kaufkräftige Nachfrage", denn die
        hat zum "Können" auch noch den "Willen".
 
 Bsp.: Lässt sich zwar ungefähr voraussagen, welchen Kalorien- und
        Wasserbedarf eine Bevölkerung hat, dann aber weit schlechter, wie sich
        das im Konsumverhalten abhängig von Wettern und Moden konkretisiert.
 
 Und trotzdem wäre ein solcher "Volksspeiseplan" im Vergleich
        zu anderen Sektoren noch recht einfach zu erstellen, schon gar nicht
        mehr in der Komplexität hochgradig arbeitsteiliger und innovativer
        Gesellschaften.
 
 In der Wohngemeinschaft oder in einer handarbeits-landwirtschaftlichen
        Kommune mag Planwirtschaft noch gut funktionieren, sofern nicht natürliche
        Vorkommnisse den Plan zerdeppern.
 
 In den großen Planwirtschaften der sozialistischen Staaten
        funktionierte sie letztlich nie: immer gab es Planungslücken, die Teile
        fehlen ließen, die sich zu absurden "Engpässen" hoch
        summierten. Und was der Plan nicht schaffte, machte den Bürger zum
        Bastler, zum Reisenden, der sich selbst die Dinge im Schwarzmarkt
        ranschleppte, was eine Menge gegenseitiges "Vertrauen"
        (=Verschwiegenheit), Kriminalität gegen das "Volkseigentum"
        usw. zur Folge hatte. Man hielt das für "Zusammenhalt". Und
        das war es wohl auch.
 Mit dem einwandernden Kapitalismus besiedelten nicht nur Sat-Schüsseln
        die Dächer des geknackten "sozialistischen Vaterlands",
        sondern man brauchte auch einander nicht mehr, weil es in jedem Geschäft
        "alles" zu kaufen gab.
 
 Nun könnte man glauben, die Plandefizite der DDR seien mit heutiger
        Computertechnik ("aus Fehlern lernend") kurierbar, aber das würde
        immer voraussetzen, dass die Innovation stagniert, weil jede Innovation
        den Plan neue Lücken beschert.
 
 Im Kapitalismus findet die "Planung" so anarchisch statt (wie
        bei Karl Marx beschrieben) und führt zur periodischen Überproduktion.
        "Ressourcen werden dadurch verschwendet" - stimmt indes nur
        zum Teil, denn die Ressourcen werden vor allem "dadurch"
        verschwendet, wenn sie zu leicht = zu billig verfügbar sind.
 
 Doch der Preis der Dinge ist längst nicht alles, sondern wieder einmal
        zählt die "Verantwortlichkeit", denn selbst die teuersten
        Dinge werden beschafft und verschwendet, wenn niemand dadurch direkteren
        bzw. persönlicheren Schaden leidet.
 
 Das können zum Beispiel Rüstungsgüter sein, weil die Beschaffer die
        Beschaffung nicht zahlen, sondern damit Staatskassen belasten. Ähnliche
        Verschwendung findet sich zwar auch in größeren Betrieben, aber
        solange sie in Konkurrenz zu anderen Betrieben stehen, werden sie
        Ressourcen versuchen zu schonen, ansonsten fallen sie in der Konkurrenz
        ab und die verschwenderische Schwachstelle würde alsbald gefunden (mit
        Ausnahme von Geschäftsführung, Vorstand und Aufsichtsrat).
 
 Nicht minder ressourcenverschwenderisch war die Planwirtschaft, so sehr
        dortiger Mangel nach "Sparsamkeit" ausgeschaut haben mag. Die
        Verschwendung war "systembedingt", denn je weiter sich die
        "Volkswirtschaft" von der "Privatwirtschaft",
        letztlich vom eigenen Haushalt entfernt, desto abstrakter wird die
        Verantwortlichkeit für Gewinn und Verluste, zumal sich das
        "plan-garantierte Ergebnis" für die eigene
        "plan-garantierte Arbeit" millionenfach teilt.
 
 Ressourcenverschwendung ist also letztlich weder durch das
        marktwirtschaftliche noch durch das planwirtschaftliche System
        verhindert. Der Preis spielt eine Rolle, die Verantwortlichkeit spielt
        auch eine Rolle. Nun könnte noch durch gesetzliche Bestimmungen
        nachgeholfen werden, beispielsweise Verlängerung von Gewährleistungsfristen,
        Obergrenzen für Material- und Energieeinsatz.
 
 Zudem könnte man glauben, dass die Menschen zur Sparsamkeit erzogen
        werden sollten, aber wenn es hinsichtlich Konsum und Umwelt bei
        individuellen Freiwilligkeiten bleibt, was die Vernunft anbelangt, so würde
        das schon an Leuten wie mir scheitern: ich bin "prinzipiell für
        ein Tempolimit 200", aber fahre eben auch gern 60 mehr.
 
 Um meiner Vernunft "nachzuhelfen", wären mir dann allerdings
        automatische Tourenzahlbegrenzer lieber als Verbotsschilder und
        Radarfallen, so dass sich "mein Vernunft-Problem" wohl eher über
        die technische Zulassungsordnung lösen würde als über die
        Kriminalisierung meines Verhaltens.
 
 Vernunft, Freiheit - all das sind abstrakte Wesen, die oft erst in
        Dialektik zum Gegenteil an Kontur und Greifbarkeit gewinnen.
 
 Typisch für die Planwirtschaft ist, wie bereits angesprochen, dass ihr
        der klassische Wettbewerb fehlt, weil die Planwirtschaft einer
        Absatzgarantie gleichkommt.
 Die vielen planwirtschaftlichen Prämiensysteme zur
        Innovationsmotivation erwiesen sich im Vergleich zum
        "existentielleren" Wettbewerb der Marktwirtschaft unterlegen.
 Daraus könnten "Weltrevoluzzer" zwar das Erfordernis schließen,
        dass eben weltweit die Marktwirtschaft abgeschafft gehöre, damit das Prämiensystem
        funktioniert, aber dessen Effizienz würde sich noch immer auf
        propagandistische Nullung reduziert zeigen, weil sich die Menschen eher
        darum "sorgen", dass sich ihre durch den garantierten Absatz
        ebenfalls garantierte Arbeit verkürzt, indem sie bei Planerstellung
        ihre Schaffenskraft untertreiben und mehr Zeit haben für den sich
        spontan entwickelnden Schwarzmarkt, in dem ihnen die "Prämien"
        in etwa proportional höher sind, wie die Planwirtschaft in dem
        verglichenen Versorgungssektor versagt; denn im Schwarzmarkt gilt wieder
        das "Preis-aus-Angebot-und-kaufkräftiger-Nachfrage-Modell"
        (auch für den Tausch).
 
 Staatliche Planwirtschaft ist geradezu "Planunwirtschaftlichkeit",
        denn produziert vor allem Zahlen, fast gleich, ob mit Minus oder Plus
        davor, weshalb der Mangel infolge entsteht. Und dieser Mangel ergreift
        auch die Arbeitskräfte, denn zur Erhöhung der Norm war man nur dann
        wirklich allzeit bereit, wenn man nicht selbst, sondern andere sie erfüllten.
        In der Marktwirtschaft nun wieder, was Deine letzte Frage betrifft, ist
        das Heer der Arbeitslosen nicht damit erklärt, dass hier "schon
        alles überproduziert" sei, sondern Folge von a) Rationalisierung
        (=Ressourceneinsparung) und b) dass die Wachstumsraten nicht ausreichen,
        um die Rationalisierungsgeschwindigkeit zu kompensieren. Sodann gibt es
        da noch c) die verfehlte, aber auch wirklich schwierige Sozialpolitik,
        durch die eine Art Teufelskreislauf entsteht: Arbeitslose werden
        Sozialleistungsempfänger, erhöhen damit die Sozialabgabenlast für die
        noch Arbeitenden, wodurch die Arbeit noch teurer wird und sich der Druck
        zur Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen erhöht. - Doch wie schon an
        anderer Stelle behauptet, ließe sich daran "systematisch"
        reformieren anstatt nur dumm durch Sozialabbau und Abgabenerhöhung
        rumzuflicken, wenn man die Arbeitszeit ihrer Höhe nach besteuerte und
        nicht nur die Höhe des Einkommens.
 Regierung und Opposition gehen da allerdings noch immer in die andere
        Richtung und wollen sogar noch die Arbeitszeit derer mehren, die in
        Arbeit stehen anstatt dafür zu sorgen, dass die Arbeitslosen in Arbeit
        kommen.
 Schaue ich mich um, dann sehe ich keineswegs nur die "Überproduktion"
        in den Schaufenstern, sondern "vieles zu tun" an Häusern,
        Straßen und Plätzen, an Erziehung der Kinder und vieles mehr.
        Gleichzeitig sehe ich Menschen in niedrigste Lebensstandards verkommen,
        weil niemand sich leisten kann, ihnen auch nur wenig zu zahlen, weil der
        Staat aus jedem Cent einen Euro für die leeren Kassen zu machen
        versucht, die sich auf diese Weise nicht füllen, sondern allenfalls 
        Schwarzarbeit und Müßiggängertum fördern.
 
 Und warum ist die Politik so schlecht? Auch das lässt sich vermutlich
        beantworten: Weil die politische Arbeit insbesondere im Bereich der persönlichen
        Verantwortlichkeit von Politikern Lücken lässt, in denen diese sich
        selbst den "Erfolg ihrer Arbeit" bewerten: durch das gegenwärtige
        System der Diäten und die ihnen erlaubte "Nebenbeschäftigung"
        für fast jederlei und jeder monetären Größenordnung.
 
 Mir scheint: Solange die Politikerversorgung vom
        "volkswirtschaftlichen Produkt" abkoppelt bleibt, unterbleiben
        Reformen.
 Sobald hingegen die Politiker ebenso für die Gesetze zahlen wie
        diejenigen, die es jetzt schon/noch tun, würden sie es wohl zu Reformen
        schaffen.
 
 Das Selbstverständnis von "Volksvertretern" als
        "Manager" ist absurd. Der Staat ist entgegen seinen neueren
        Ausdeutungen eben kein "Dienstleister" und der Bürger den Behörden
        auch nicht im Ansatz ein "Kunde". Das alles ist Quatsch und
        allenfalls Fehlentwicklung in der Staatstheorie und Praxis. Ihre
        Ursachen sind spannend zu erörtern, greifen manches auf, was in
        allerdings wirklich "überholten" Zeiten mal
        "Fortschritt", mal "Verschleierung" war:
        "Staatschef als erster Diener des Volkes", ...
 
 Der "Volksvertreter" kann nur Volksvertreter sein, wenn er
        sich nicht allzu weit von den Vertretenen auch im Interesse scheidet.
 
 Alles irrsinnig weite Felder. Ich will/kann sie nicht sämtlich
        beackern, aber ich warne vor denen, die so tun, als sei das eine Frage
        von Personen und Parteien anstelle einer Frage von Paragraphen. Gute
        Absichtserklärungen hören wir von allen Seiten, aber Festschreibungen
        in Normen und gerichtliche Überprüfbarkeit ist so wenig Leuten
        verstandene Notwendigkeit.
 
 Grüße von Sven
 
 |