Nahost20140804  unfertig zur Frage der Selbstverteidigung

Ich halte schon Pflastersteine für keine Argumente, erst recht die Hamas-Raketen, aber trotzdem muss der Blick dafür sein, was es für Raketen sind, ansonsten wäre es wie Speere mit Maschinengewehren zu verwechseln. Das kann der IDF nicht passieren, aber ist Israels permanente Propaganda. 

Wenn ich Raketen abfangen kann, die obendrein glücklicherweise (noch) keine größere Schadenswahrscheinlichkeit haben, wie es meine Raketen x-fach schlimmer und jedes Mal todsicher könnten, dann dürfte ich meine Raketen nur einsetzen, wenn ich tatsächlich nur die Angreifer treffe, während es sich verbietet, "menschliche Schutzschilde" unter Feuer zu nehmen. Darum ist Netanjahus israelische Selbstverteidigung konkret unverhältnismäßig, folglich nicht gerechtfertigt, folglich Kriegsverbrechen.

Das ist der Grund, weshalb Israel vom Weltsicherheitsrat und dem UNO-Generalsekretär Gegenwind bekam. Und das ist keine antiisraelische Verschwörung.

Und nicht nur an der Verhältnismäßigkeit fehlt es, sondern Netanjahus Militärschläge sind auch "ungeeignet", ebenfalls relevant für die Frage nach der Zulässigkeit von Selbstverteidigung. 
Die Ziele der israelischen Angriffe richten sich gegen Hamas-Stellungen in Wohnhäusern, Verwaltungsgebäuden, einem Kraftwerk und Schulen. 

Genau solche Aufzählung zeigt, dass sich der Hamas-Krieg aus jeder Zivileinrichtung führen lässt, folglich nicht durch Zerstörung von Zivileinrichtungen bekämpft werden kann, es sei denn, dass Netanjahu alles zerstören würde, was er sicher nicht tun wird, zumal dann der übrigen Welt der Geduldsfaden reißen würde, so dass man es nicht mehr bei bloßer Israelkritik beließe, sondern Israel stoppt. 

Das weiß Netanjahu. Darum traue ich ihm zu, dass er sich mit Salamitaktik begnügt, also Entmutigung der palästinensischen Bevölkerung und Schüren des Extremismus, hauptsächlich durch den fortdauernden Siedlungsklau, den er wie Scharon mit dem "Wachstum" der israelischen Bevölkerung für rechtmäßig erklärt, als ginge es darum, dass Israelis das Kinderkriegen verboten wäre. 

Solch Vortrag gefällt selbstverständlich der Hamas und Antisemiten - und das darf sein(!), sofern sie meine immer wieder dargelegte völkerrechtliche Legitimation des Zionismus nicht überlesen, die gern auch näher erläutert werden kann, aber es macht keinen Sinn, die israelischen Verbrechen deshalb zu verschweigen, weil es den Feinden Israels nutze, denn jede bedingungslose Solidarität ist schwachsinniges Geschwätz oder Schwindel. Folglich kann es auch keine bedingungslose Israelsolidarität geben, weil daraus a) unsere Unglaubwürdigkeit ist und b) wir überhaupt keine Alternative zur friedensuntauglichen Politik von Hamas und Netanjahu wären. Wenn wir uns an der Polarisierung, einseitigen Kommentierung beteiligen, dann ändern wir ja gerade nichts in Richtung gegenseitige Rücksichtnahme. Weder jetzt im blutigen Gazakrieg - und auch nicht im Allgemeinen, ob zwei lebensfähige Staaten zustande kommen und friedliche Nachbarn werden, woran es festzuhalten gilt, wenngleich viel verloren wurde an Leben, Besitz und an Menschlichkeit, aber das Leben der Lebenden muss kostbarer sein als das Abrechnen der Toten, zumal solch Abrechnung erst dann sinnvoll ist, wenn die Streitparteien vom Töten abgelassen haben und nicht nur sporadisch oder taktisch, sondern einsehen, dass Krieg nicht die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln ist, sondern Zivilitätsbruch ist, erkennbar würde, .
 
Lieber Adalbert, wenn Klaus mit seiner Hamaskritik unrecht hätte, was wäre denn deine Vermutung, warum die Hamas ihre Raketen verschießt und somit jede Abschussadresse postwendend ins Fadenkreuz israelischer Militärtechnik bringt? Überfüllte Depots? Vorauseilendes Tun im Hoffen auf Bonusleben im Jenseits? 

Ich bin eher der Ansicht, dass auf beiden Seiten falsche Ziele und falsche Methoden regieren und deshalb überhaupt nichts von dem logisch ist, was die Streitparteien an Propaganda vom Stapel lassen. Und nichts davon hält irgendeiner völkerrechtlichen oder moralischen Prüfung stand. Deshalb darf nichts davon gelingen, toleriert werden und ungesühnt bleiben, aber nicht im Wege der Selbstjustiz, sondern von einem UN-Tribunal, sonst würden aus Verbrechern mal wieder "Märtyrer". 

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Nicht abgeschickt, denn Ursula verlangte Antwort zu ähnlicher Fragestellung.
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Liebe Ursula, dir blieb ich noch Antwort schuldig. 

Sicherlich kann ich Vorschläge machen, denn ich habe solche Dinge studiert, stritt schon vor Jahrzehnten mit Palästinensern und Israelis. Aber dennoch können Vorschläge aus der Gesellschaft nur Randnotizen sein, während es darauf ankommt, was die gewählten Vertreter treiben. 

Und es gibt konkrete Vorschläge, die den israelischen Regierungen vom Nahost-Quartett x-fach vorgelegt sind. In kleinen, verdaulichen Portionen. Es wird nur nicht an die große Glocke gehängt, weil in der Nahost-Vermittlergruppe jeder weiß, dass auch die beste Roadmap in der Umsetzung kompliziert würde, selbstverständlich auf Widerstände trifft und mit der Eigendynamik negativer Nebenwirkungen zu rechnen ist. 

Zumindest seit dem Ende des Kalten Krieges stellte sich solch gemeinsame Rücksichtnahme her. Wir wollen hoffen, dass es trotz Ukraine und anderer Konflikte so bleibt.

Darum stellt das Nahost-Quartett öffentlich keine Forderungen, sondern nur Fragen an Israel, insbesondere die Frage, innerhalb welcher Grenzen sich Israel einen Palästinenserstaat vorstellen könne, aber bekommt entweder keine Antwort, was das Nahost-Quartett schon mehrfach zart kritisierte - oder aber die israelische Antwort war derart beknackt, dass der öffentlich geführte Streit nur die Spannungen in Nahost erhöht hätte. 

Die Geheimdiplomatie hat also teils Berechtigung, aber schlägt sie fortdauernd fehl, so braucht es den Wechsel zu anderer Strategie und Öffentlichkeit. 
Beides halte ich für möglich und überfällig. Und solche Reihenfolgen sind wichtig. 

Selbstverständlich braucht es für Israel Sicherheitsgarantien dergestalt, dass ein Palästinenserstaat allenfalls über Polizeiwaffen verfügen darf, also auf Kriegswaffen verzichtet und nicht zum Aufmarschgebiet des antiisraelischen und antiwestlichen Terrorismus verkommt.

Aber schon hier ist ein Unterschied zur Knesset-Mehrheitsauffassung, dass solch Nachbarschaftsentmilitarisierung nicht von einer Streitpartei durchgeführt werden darf, weil das Selbstjustiz wäre und die Animositäten vertieft, die es zu reduzieren und zu überwinden gilt.

Der weitere Unterschied zur Knessetmehrheitsansicht wäre, dass die Anerkennung des Palästinenserstaates dessen Entmilitarisierung voraussetze. Das macht die Vermittlergruppe mit, während ich die andere Reihenfolge unter internationaler Kontrolle genügen lasse.

Desgleichen, was die gegenseitige Anerkennung anbelangt: 
Wenn die Hamas Israel nicht anerkennen mag, so lässt sich zwar vertreten, dass sich ein von der Hamas regierter Palästinenserstaat für die Vollmitgliedschaft in den Vereinten Nationen disqualifiziere. So die Auffassung auch von USA, EU und anderer Staaten, während 134 der 193 UN-Mitgliedsstaaten den Palästinenserstaat anerkannten und somit ergebniskongruent zu meinem Begründen sind, dass wir ruhig mal den Terminus "Vereinte Nationen" beim Wort nehmen könnten, also die Vertretenen einschließlich ihrer schlechten Vertreter anerkennen, zumal es nicht "Vereinte Regierungen" heißt und wir reihenweise schlimmste Regimes in der Weltorganisation dulden, schon um nicht auch noch den letzten diplomatischen Kontakt einzubüßen.
Obendrein ist das Existenzrecht Israels nicht einmal andeutungsweise von der Hamas abhängig, sondern völkerrechtlich solide basiert und realisiert. 

Der Hauptunterschied aber ist, dass sich Netanjahu (wie seine beiden Vorgänger) viel lieber mit Bush als mit Obama oder gar der Vermittlergruppe unterhielt. Und es ist bekannt geworden, dass Scharon schon ein Jahr vor dem Abzug aus dem Gazastreifen Bush bedrängte, der Welt vorzuschlagen, dass an Israel territoriale Zugeständnisse gemacht werden müssten, aber der damalige US-Außenminister Colin Powell vermochte sie nicht dem jordanischen König schmackhaft zu machen. Und ohne Rückhalt bei den mit den USA verbündeten arabischen Staaten taugte das zwischen Scharon und Bush Ausgekungelte allenfalls für den Reisswolf, aber nicht für die Öffentlichkeit. 
Das war mir weit über den Gazarückzug (2005) hinaus Gerüchteküche, doch Jahre später prahlte Scharon in einem Fernsehinterview und selbstgefälliger Franz-Josef-Strauß-Manier, dass er die USA unter Druck gesetzt und mit seinen Forderungen mindestens Wohlwollen bewirkt habe, aus dem er sich sogleich eine politisch verbindliche Zusicherung bastelte. Auch Powell gab in späteren Jahren ein Interview, das den hier beschriebenen Verlauf bestätigte. Ihm war es aber wenigstens peinlich.

Die Hamas will kein Israel, will keinen Frieden, denn unfriedlicher als die Negation des Feindes kann ein Feind allenfalls dadurch sein, dass er die Negation in die Tat umzusetzen imstande wäre und durchführen würde.

Aber diese Feindseligkeit ist eben nur ein Teil der Ausgangslage - und zwar machtpolitisch der schwächere Teil.

Der andere Teil der Ausgangslage, du erahnst mein Vorbringen richtig, ist eben daraus ist, dass Leute wie Netanjahu nicht einfach nur Zionisten sind, sondern arg über das hinaus gehen, was dem Zionismus völkerrechtlich zugestanden wurde und später noch bis zu den Grenzen von 1967 als hinzu gewonnen toleriert wurde. 

Aber mehr ist auf zivile Weise nicht drin, es sei denn, dass Israel dem Palästinenserstaat etwas zu bieten hätte, was die Gebietsverluste quantitativ und qualitativ kompensiert, doch das ist in Anbetracht der Dimensionen kaum vorstellbar, so dass nur Rückzug oder Wechsel der israelischen Siedler in palästinensische Staatsbürgerschaft zzgl. Entschädigung der Enteigneten in Betracht kommen können.

Wer den Zionismus auf Herzl basiert, der hätte mit Netanjahus den falschen Mann am Steuer.

Wer den Zionismus auf die Religion basiert, hat m.E. entweder die Religion missverstanden oder die Erde, denn sie wächst nun mal nicht in dem Maße, in dem sich die diversen Religionen konkurrierend territoriale Ansprüche optimieren.

Der Zionismus mag sich auf vielfache Weise begründen lassen, m.E. auch mit dem Antisemitismus und Holocaust, aber völkerrechtliche Relevanz hat ausschließlich, was völkerrechtlich zugestanden zustande kam.

Das ist die völkerrechtliche Situation. Das ist die Grenzlinie und gehört auch gezogen. weil sonst dem Antizionismus keine Grenzlinie aufgezeigt werden kann.

Markus Rabanus20140804

Nahost   Friedensforschung