Militärputsch und Völkerrecht

Vorab: Ich wünschte, der Weltsicherheitsrat hätte den Putschisten mit Verhaftung gedroht.

Mindestens drei Probleme gehören erörtert:

1. Völkerrechtlich mag es kompliziert sein, denn äußerer Einmischung stehen nationale Souveränitätsrechte entgegen - und laut Charta der Vereinten Nationen darf sich der Weltsicherheitsrat nur einmischen, wenn es einer "Gefahr für den Weltfrieden" abzuhelfen gilt.
In Fällen zwischenstaatlicher Konflikte dürfte einhellige Auffassung sein, dass der Weltsicherheitsrat solche Befugnis hat.

In Fällen von innerstaatlichen Konflikten, Bürgerkriegen und Verfolgung nationaler Minderheiten liegt das Verbot der "Einmischung in innere Angelegenheiten" zwar deutlich näher, ist folglich umstrittener, aber es gibt viele Konflikte, die der Weltsicherheitsrat dennoch gemeinsam anging, mal erfolgreich, mal weniger erfolgreich wie in Syrien, wo man sich zwar gegen den IS einigte, aber weiterhin um die Herrschaft im Land global rivalisierte.

Und speziell zur Fall Militärputsch:
Zwar sind viele Staaten undemokratisch und alle Staaten weisen demokratische Defizite auf, aber nur ganz wenige Staaten wagen sich gegen die Demokratie zu bekennen und tricksen dann herum mit "besonderen Eigenheiten", die aller Realität entgegen doch auch irgendwie "demokratisch" seien, "weil vom Volke gewünscht, geliebt" usw.

Jedenfalls ist weltweit das Bekenntnis zur Demokratie - auch Pekings und Moskaus - so vorherrschend, dass die Verurteilung eines Militärputsches einhellig sein könnte.
Doch auch da lässt sich tricksen, wenn es bspw. heißt, der Putsch sei vom Volke getragen, was sich immerhin auch nicht in allen Fällen ausschließen lässt,

ABER dann sehe ich die Weltgemeinschaft eben in der Pflicht zur Klärung, also bspw. eine sofort unter Regie der Vereinten Nationen durchzuführende Volksabstimmung, ob der Putsch demokratisch gebilligt wird.

Auch das hätte man den Putschisten von Myanmar zumindest anzudrohen - und Bestrafung für jedes Verbrechen, was sie bis dahin begehen, wenn sie sich nicht umgehend in die Kasernen zurückziehen.

2. Die Verhältnismäßigkeit, der auch das Völkerrecht gebunden ist, kurz gesagt >>Je schärfer und opferreicher die Eingriffe, desto weniger legitim und weniger legal ist auch die Eignung zum Zweck, denn Recht und Frieden darf aus einem Land keinen Friedhof, keinen Schutthaufen machen.

Doch das macht Nichteinmischung und Wegschauen längst nicht richtig, sondern schließt nur die unverhältnismäßigen Mittel aus - und andere Mittel sind zu wählen, bspw. Embargo, Isolation, ...

3. Das Vetorecht hindert den Weltsicherheitsrat an Mehrheitsentscheidungen und ist trotzdem wichtig, denn ohne Vetorecht wären die Vereinten Nationen nie geworden oder hätten den Kalten Krieg nicht überstehen können, wenngleich allen klar ist, dass solche Privilegierung keine Ewigkeit beanspruchen darf und sich auch die Vetomächte dem Willen der Menschheit im Sinne der durch die UNO-Charta verbürgten Nationen-Gleichheit zu fügen haben.

Doch noch ist das Vetorecht - und ich trachte eher danach, es a) im Sinne der Charta zu interpretieren
und b) es schrittweise zu reformieren anstelle der Forderung nach Abschaffung.

Hier sei jetzt nur a) knapp skizziert:

Das Vetorecht privilegiert die damals fünf militärisch stärksten Staaten, sollte den Vetomächten vor allem sichern, nicht selbst vom Weltsicherheitsrat reguliert zu werden,

ABER dieses Privileg ist laut UNO-Charta zugleich besondere Verpflichtung für die Vetomächte, es im Sinne des Völkerrechts auszuüben - und wenn schon immerhin nicht gegeneinander, dann jedoch verpflichtet, alle jenseits der eigenen Grenzen aufkeimenden Konflikte völkerrechtlich und nicht machtrivalisierend einzudämmen.

Darum waren viele Vetos "völkerrechtswidrig", sobald es den Vetomächten nicht um Befriedung, sondern um globale Machtanteile ging.

Nun das Dilemma: Trotz Völkerrechtswidrigkeit keine Nichtigkeit, sondern Geltung, wie auch ein falsches Gerichtsurteil solange gilt, wie es nicht aufgehoben wurde.

Achim K. und Paul O. mutmaßen m.E. zutreffend, aber wir werden uns einig sein, dass "zutreffend" oft weniger ist als "richtig", denn richtig = völkerrechtsgemäßer wäre es, wenn sich die Vetomächte gegen diesen Putsches zu mehr Strenge durchgerungen hätten.

Der erzielte Kompromiss "Wir sind besorgt" ist zu flach.

Markus S. Rabanus  2021-02-06

ps: Und dem b), also gewichtigeren UNO-Reformen, lässt sich m.E. nur beikommen, wenn der Weltfriedensplan.de in die Gänge gekommen ist.

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Bernd: "Wer soll die Verhaftungen durchsetzen ? Wo wurden denn die Militärs ausgebildet ?"

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msr: schwierig, aber wenn man (Weltsicherheitsrat) es wollte, dann durchaus möglich - und "Androhung" allemal, denn irgendwann dann kann immer.

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Bernd:  "ich glaube Diktatoren lachen da nur. Schlimmster Vertreter war Trump ... Und schau Dir die EU und Polen, bzw. Ungarn an ....."

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msr: Ja, an Veto-Privilegierte wie Trump, Putin, Xi Jinping, Macron und Johnson dürfte nach geltender UNO-Charta tatsächlich niemand heran, wenn der betreffende Staat es nicht erlaubt. - Insofern auch heikel, wenn ich von den Vetomächten die Anerkennung des IStGH fordere, aber das wäre weiteres Thema, denn ich fordere es ja trotzdem.

"Lachende Diktatoren" gibt es zwar, allerdings eher bloß auf der Bühne, während hinter den Kulissen und nicht nur im Schlaf von Ängsten geplagt.
Man kann das Lachen von Diktatoren zur Kenntnis nehmen, wenn das lohnen würde, denn nicht entscheidungsrelevant - und nicht ernst zu nehmen.
Da hat es eine demokratisch legitimierte Merkel deutlich leichter, denn ihr droht mit dem Abschied von der geringeren Macht vielleicht Langeweile, aber keine Rache von irgendwem.

"EU und Polen, Ungarn ... beschauen" lässt sich kaum je genügend, denn hoch komplex, aber jeder Unordnung lässt sich beikommen, wenn an Ordnungsprinzipien gefeilt und mit ihnen probiert wird.
Polen und Ungarn oder auch die EU sind zu wichtig, um mich abkehren zu dürfen - und mit der schwierigen Welt nicht anders. Ich fühle mich einfach mal besser, das Negative zwar zu sehen, aber Positives dagegen zu stellen ;-) Wenn auch viel zu selten oder zu wenig überzeugend.

Deine 2. Frage im vorherigen Posting - sehr wichtig, aber da fehlt es uns beiden an Durchblick, auf welche Staaten sich die Militärs von Myanmar stützen, denn die rasche Recherche ergab militärische Kooperationen in politisch rivalisierende Himmelsrichtungen. Peking wahrscheinlich "engagierter". Dann wäre Peking für den Militärputsch ärger zu beschimpfen, wie auch dafür, dass Nordkorea Atomwaffen bastelt. - Sowat gründlich zu untersuchen und obendrein vorurteilsfrei, geht nicht aus dem Stehgreif.
Ich hoffe, dass sich unser Auswärtiges Amt darin befleißigt - und nicht bloß im Interesse der eigenen Bündnisse. - Friedenspolitik ist nur ganz selten Einbahnstraße.

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Reaktionen von Bundestagsparteien

"DIE LINKE verurteilt Militärputsch in Myanmar 
Pressemitteilung von Sevim Dagdelen, 01. Februar 2021

„DIE LINKE verurteilt den Militärputsch in Myanmar. Notwendig sind die umgehende Aufhebung des Ausnahmezustands, die Freilassung der politischen Gefangenen und eine rasche Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen“, erklärt Sevim Dagdelen, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Auswärtigen Ausschuss. Dagdelen weiter:

„Neben der Verurteilung des Staatsstreichs müssen sich Bundesregierung und EU gegenüber den Militärmachthabern in dem südostasiatischen Land mit Nachdruck für die Freilassung der inhaftierten Regierungsmitglieder und Parlamentarier einsetzen. Wirtschaftssanktionen als Reaktion auf den Staatsstreich lehnt DIE LINKE ab, da diese wie auch in anderen Fällen immer die Bevölkerung treffen und die Lage in Myanmar weiter verschlimmern würden statt sie zu verbessern.“

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msr-Kommentar: Dass Wirtschaftssanktionen die Bevölkerungen härter treffen als die Bösewichte, ist häufig der Fall - und trotzdem ein in Betracht zu ziehendes Mittel. Der Bruch von Handelsverträgen allerdings nur im Einvernehmen mit dem Weltsicherheitsrat, Völkerrechtsdurchsetzung  Art.41 UNO-Charta
Mindestens gehört aber jeglicher Waffenhandel sofort verboten und Aufforderung an den Weltsicherheitsrat, auch den Handel mit Luxusgütern zu verbieten. 

Und die Presseerklärung der Linken ist mir zu dürftig, wenn sie sich zu erläutern erspart, was sie unter "Nachdruck" versteht und angewendet sehen möchte. 

 

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