meine Agas bzw. unsere Agas
Alles begann damit, dass wir Fritzi in Pflege
nahmen, als Frau Schlesinger in Urlaub fuhr. Ein winziger Käfig, ein
Zwergpapagei, der irgendwie etwas kurz geraten schien, aber die kurzen
Schwanzfedern von Agas begünstigen eben auch die Wendigkeit, wie rasch als
Vorteil anzusehen war - und überhaupt war dieser Zwerg ein Riese phantastischer
Eigenschaften.
Als Frau Schlesinger aus dem Urlaub zurück kam, erklärte ich bei der
Übergabe: "Bei uns geht es ihm gut!!!", wobei die Betonung provokativ
auf "Bei uns" lag. Na, die Rückgabe ließ sich dieses Mal nicht
vermeiden.
Als Frau Schlesinger wieder in Urlaub fuhr,
nahmen wir erneut Fritzi auf. Glücklicherweise absolvierte grad Frau
Schlesingers Sohn ein Praktikum in unserer Firma. Und es stellte sich heraus,
dass er den Vogel einst zum Geburtstag bekommen hatte.
Hmm, wenn Fritzi also schon nicht sich selbst "gehörte",
sondern unserem Praktikanten, dann sollte sich dieses Problem kaufmännisch lösen
lassen. Ich fragte nach dem Preis. Der Praktikant
rechnete: Ursprünglich habe der Vogel 100 DM gekostet, sei jetzt allerdings
schon recht betagt, "also 70 DM ?" - Klar, wir waren handelseinig.
Als meine Frau nach Hause kam, erzählte ich ihr vom Deal, dass Fritzi nun bei uns bleibe.
Meine Frau: "Das ist der beste Kauf, den du
je machtest!"
Seinen Rufnamen "Fritzi" behielt er selbstverständlich bei. Trotzdem
vervollständigten wir seinen Namen entsprechend seiner Biographie zu
"Friedrich Schlesinger". Das klang nach Persönlichkeit und
wurde ihm gerechter.
Einen größeren Käfig besorgten wir ebenfalls, aber Fritzi war lieber frei in
Wohnung und Büro mit uns unterwegs, hatte seinen Schlafplatz oberhalb eines
Fensters.
Es war eine wunderschöne Zeit. - Für einen Kumpel (weil "Unzertrennliche") war es leider zu spät, denn er war zu viele Jahre ausschließlich mit Menschen zusammen und akzeptierte keine Artgenossen.
Wenn wir Sitzungen hatten, rannte Fritzi aufgeregt auf dem Konferenztisch herum. Wenn jemand zu laut wurde, rannte er hin und schimpfte zurück. Wenn jemand mitschreiben wollte, war das unserem Fritzi verdächtig - er rannte hin und kämpfte gegen den Stift. - Fritzi war eine feste Größe in Familie und Betrieb. Unzählige Geschichten und immer Freude.
Irgendwann ließen seine Flugfähigkeiten rapide
nach. Und wenige Tage später fand ich unseren Süßen tot auf dem Rücken
liegend. Er sah so niedlich, noch so lebendig aus. Und unsere Räume waren so
still, so leer. Monatelang. Ich konnte mich nicht dran gewöhnen, dass mich kein
Fritzi begrüßte, dass abends und morgens kein Fritzi unter die Bettdecke
wollte. Aber ich wollte auch keinen "Ersatz", denn wer würde ihn
ersetzen können?
Erst viele Jahre später begannen wir erneut mit Agas. Und
im Nachhinein? Trauer ist okay, aber das Leben geht weiter. Und
"Ersatz" darf sein, emanzipiert sich und ist dann auch nicht mehr
"bloß Ersatz".