Plädoyer für die soziale Leistungsgesellschaft
Der wachsende Abstand zwischen Brutto und Netto wäre ein geringeres Problem, wenn sich die Menschen um die Differenz nicht betrogen fühlten.
Aber wenn die Relation zwischen Eingezahltem und Ansprüchen keine Rolle mehr spielt, dann erscheint die Einzahlung als vergeudet. Und so sieht es "Hartz" gegenwärtig vor.
Durch "Hartz" und Schwarzarbeit gehen weit weniger Arbeitsplätze verloren als durch die Entwicklung in den Weltmärkten, der die Arbeitsplätze dorthin verlagert, wo die politischen Verhältnisse stabil genug, die Löhne tief genug sind und in einem Tempo steigen, wie der Absatz dort und weltweit funktioniert.
"Hartz" will die Gehaltsansprüche in Deutschland dem Niveau der Weltmärkte annähern, indem der Druck auf die Arbeitslosen erhöht wird, aber die Hartz-Hebel setzen wie auch die zwischen den Tarifparteien vereinbarten Arbeitszeitverlängerungen bei denen an, die ohnehin die Lasten tragen, also in den Bereichen, die noch gut stehen im Weltvergleich, sonst wäre Deutschland nicht so weit oben als Exportnation.
Das Problem der Verarmung unserer Sozialsysteme und des Arbeitsplatzangebots scheint mir hingegen,
1. dass die Gesellschaft noch immer auf Wachstum hofft anstatt die vorhandene Arbeit besser zu verteilen, was nur im entgegengesetzten Weg höherer Steuerprogression und durch sie bedingter Arbeitszeitverkürzung zu erreichen wäre,
2. dass die Gesellschaft keine Anreize mehr im "Binnenarbeitsmarkt" der weniger qualifizierten Jobs hat, der einfachen Dienstleistungen, die ohnehin anfälliger sind für Schwarzarbeit. - Während die öffentlichen Plätze verwesen, die einfachsten Dienstleistungen für alte Menschen unerschwinglich werden, investiert die Gesellschaft fortlaufend in Weiterbildung und Umschulung, für die es gar keinen Bedarf hat.
Wenn die vermutlich "unliebsame Sozialarbeit" (alte Menschen, Behinderte, aber auch Umwelt) staatlich subventioniert würde, weil ihr keine ausreichende Kaufkraft gegenübersteht und sie trotzdem erforderlich ist, dann habe ich für Subventionen Verständnis, aber wenn in immer mehr Branchen mit "Umschülern" gearbeitet wird, die sie nach Ablauf der Förderungszeit wieder für den nächsten "Umschüler" entlassen, dann vermurkst die Subvention die Arbeitsplätze, die für all diesen Murks aufkommen sollen.
Diesbezüglich weist "Hartz" gegenüber dem vorherigen Stand zwar Vorteile auf, aber ist in der Umsetzung längst nicht rigide genug, um Noch-Nie-Jobber in solche Niedrigstqualifikationsarbeit zu schicken, die wiederum nur dann funktionieren würden, wenn Krankheit und Slow Motion zu Einbußen führen - wie beim Bauern auf dem Feld. Und solch Vergleich hinkt nicht.
Die Abkopplung der Ansprüche vom Leistungswillen kann niemals funktional, geschweige denn sozial sein, denn so schlau ist jeder, dass ihm weniger Aufwand bei gleichem Erfolg nicht das entsprechend "energiesparsame" Arbeitsverhalten provoziert.
Wenn es wahr ist, dass es in Deutschland Armut gibt - und es ist wahr, dann darf sie nicht im Fernsehsessel warten, sondern muss ihn abschalten und "barrierefrei" von unnötigen Formalitäten für sich und andere Menschen wirken.
Wenn es wahr ist, dass es eine soziale Moral gibt - und es ist wahr, dann darf sie nicht zu Bettelstab und Almosen führen, sondern zu einem Miteinander von Rechten und Pflichten, also notwendig auch zu sozialer Differenzierung, weil den Menschen nicht vorgeschrieben sein soll, was sie zu leisten hätten, wenn sie weniger brauchen - wie beispielsweise ich, auch weil es mit den Bedürfnissen schwanken kann.
Jetzt jedoch wird Millionen von Menschen vorgeschrieben, dass sie länger arbeiten sollen - und für immer mehr andere Menschen ohne Arbeit.
Ich bin dagegen, dass ich Dinge tun muss, die andere nicht tun müssen, weil sie nichts tun. Ich bin dafür, dass Menschen für sich selbst aufkommen, wenn sie können. Das geschieht weder im Internet noch vor der Glotze.
Ich bin für gewiss für ein einfaches Steuersystem, aber mit einer Progression, die unsere öffentlichen Kassen saniert. Und wenn das nicht zu Kapitalflucht und "Republikflucht" der Eliten führen soll, dann muss soziale Politik weltweit und um ein weltweites Steuersystem bemüht sein.
Wieso sind die Menschen so blöde, dass sie sich Raketen zum Mars schicken lassen, die ganze Erde elektronisch verkabeln und alle Ölvorkommen und Fischgründe greifend, aber nicht die Demokratie- und Steuer-Erforderlichkeit für die sozialen Belange?
Nein Leute: Der Fatalismus ist nichts weiter als die nächste Zigarette für die Lunge.
Grüße von Sven 200508