Israel Regierungserklärung von Binyamin Netanyahu
vom 31. März 2009 (Auszüge)

„Nicht im Siegesjubel stehe ich heute vor Ihnen, sondern mit dem Gefühl schwerer Verantwortung. Dies sind keine gewöhnlichen Tage. Ich bitte um ihr Vertrauen zu einer Stunde globaler Krisen, wie es sie seit Jahren nicht gegeben hat – mit dem Gefühl der Sorge, aber auch der Hoffnung und des Glaubens, und vor allem mit dem Gefühl des Ernstes in einer Stunde der Bewährung, da Israel vor zwei gewaltigen Prüfungen steht: einer wirtschaftlichen Prüfung und einer sicherheitspolitischen Prüfung.

Jene beiden Krisen sind die Ausgeburt gewaltiger internationaler Entwicklungen, großer Unwetter, die um uns herum ausgebrochen sind. Nicht unsere Taten oder Versäumnisse der Vergangenheit sind die Wurzel dieser Krisen, aber an unseren Taten und unserer Verantwortung in der nahen Zukunft wird sich entscheiden, ob wir sie heil überstehen.
An diesem Tag und auf dieser Bühne möchte ich meine volle Zuversicht zum Ausdruck bringen, dass das israelische Volk den Herausforderungen, die vor uns liegen, erfolgreich begegnen wird.“

„Es gibt kein Fragezeichen, nicht hinter dem Recht, nicht hinter der Legitimität und nicht hinter der Existenz des israelischen Volkes und seinem Staat. Es gibt kein Fragezeichen, und wir werden keinem Menschen und keinem Staat gestatten, ein Fragezeichen hinter unsere Existenz zu stellen.“ 

„Die sicherheitspolitische Krise, vor der wir stehen, entspringt dem Aufstieg und der Ausbreitung des extremistischen Islam in unserer Region und in anderen Teilen der Welt. Die größte Gefahr für die Menschheit und unseren Staat Israel rührt von der Möglichkeit her, dass ein radikales Regime in den Besitz der Atombombe gelangt oder die Atombombe in den Besitz eines radikalen Regimes. Und ich möchte den radikalen Islam von der muslimischen und arabischen Welt im Allgemeinen absondern, denn auch sie ist von den Extremisten bedroht.

Die islamische Kultur ist eine große und reiche Kultur, die viele Verzweigungen auch in der Geschichte unseres Volkes und Zeiten der Blüte von Juden und Arabern erlebt hat, die gemeinsam gelebt und geschaffen haben. Seit jeher und heute mehr denn je zuvor strebt Israel danach, einen vollen Frieden mit der ganzen arabischen und muslimischen Welt zu erreichen, und heute wird dieses Streben auch vom gemeinsamen Interesse Israels der arabischen Welt gegen die fanatische Welle bestärkt, die uns alle bedroht.

So bedroht der radikale Islam nicht nur uns, aber er bedroht, meine Damen und Herren, zuallererst uns. Es ist wahr, er trachtet danach, die arabischen Regime zu schlagen, die Muslime der Welt in ein tyrannisches und düsteres Denksystem zu zwingen. Es ist auch wahr, dass er die Regierungen im Westen und auch im Osten mit Terror und tödlichen Raketen bedroht. Aber alle unterschiedliche Gruppierungen, ganz gleich, wo sie sich befinden, ganz gleich, was ihr spezifisches Ziel ist, haben ein gemeinsames Ziel: Israel vom Erdboden auszulöschen.

Verehrte Knesset-Abgeordnete, es ist ein Armutszeugnis für die Menschheit, dass die Aufrufe des iranischen Präsidenten zur Vernichtung Israels einige Jahrzehnte nach der Shoah von der Welt mit zaghafter Stimme aufgenommen werden, ohne energische Verurteilung, ohne entschlossenes Handeln, beinahe, ich muss es sagen, als etwas Routinemäßiges. Aber das jüdische Volk hat eine Lektion gelernt, es kann es sich nicht leisten, über megalomane Despoten hinwegzusehen, die mit seiner Vernichtung drohen. Und im Gegensatz zu dem schrecklichen Trauma, das wir im vorigen Jahrhundert erlebt haben, da wir machtlos und ohne Staat gewesen waren, sind wir heute nicht schutzlos, wir haben einen Staat, und wir wissen, wie wir ihn verteidigen.
Es war die Sorge um unsere nationale Sicherheit, die den ersten und wichtigsten Grund dargestellt hat, der mich und meine Kollegen dazu bewogen hat, zu so einer Zeit nationale Einheit zu erstreben. 

Zu dieser Zeit versucht der extremistische Islam auch, uns mit den Fängen des Terrors von Norden und von Süden her zu packen. Wir sind fest entschlossen, den Terror aus jeder Richtung aufzuhalten und ihn bis zu seiner Vernichtung zu bekämpfen. Wer den Frieden sucht, wird den Terror bekämpfen. Aber damit es Frieden gibt, muss auch der palästinensische Partner den Terror bekämpfen. Er muss seine Kinder zum Frieden erziehen und sein Volk auf die Anerkennung Israels als Nationalstaat des jüdischen Volkes vorbereiten.

In den letzten zwei Jahrzehnten ist es sechs Ministerpräsidenten in Israel nicht gelungen, zu einem Friedensabkommen zu gelangen, und das war nicht ihre Schuld. Ich sage zu den Führern der Palästinensischen Autonomiebehörde:
Wenn Sie wirklich Frieden wollen, ist es möglich, Frieden zu erreichen.

Gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde wird die Regierung unter meinem Vorsitz auf drei parallelen Wegen auf den Frieden hinarbeiten, dem wirtschaftlichen, dem sicherheitspolitischen und dem diplomatischen. Wir haben vor, bei der beschleunigten Entwicklung der palästinensischen Wirtschaft und auch bei der beschleunigten Entwicklung wirtschaftlicher Beziehungen zwischen ihr und Israel zu helfen. Wir werden den palästinensischen Sicherheitsapparat unterstützen, der den Terror bekämpfen wird. Und wir werden kontinuierliche Verhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde führen, in dem Streben, zu einem Endstatusabkommen zu gelangen.
Wir wollen über kein anderes Volk herrschen, wir wollen nicht über die Palästinenser herrschen. Bei einem Endstatusabkommen werden die Palästinenser über alle Vollmachten verfügen, die dazu nötig sind, um sich selbst zu regieren, mit Ausnahme jener, die die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel bedrohen.“

„Die Regierung wird den diplomatischen Prozess fortsetzen und auf die Förderung des Friedens mit allen unseren Nachbarn hinwirken, bei Wahrung der sicherheitspolitischen, historischen und nationalen Interessen Israels.

Die Regierung wird ein Programm zum Umgang mit der Wirtschaftskrise auf den Weg bringen und auf die Schaffung wirtschaftlicher Bedingungen hinwirken, die ein nachhaltiges Wachstum sowie die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen auf dem Markt ermöglichen.

Die Regierung wird soziale Gerechtigkeit durch die Verkleinerung gesellschaftlicher Gräben anstreben und einen kompromisslosen Kampf gegen die Armut mittels Erziehung, Beschäftigung und mehr Hilfeleistungen für schwache Bevölkerungsschichten führen.

Die Regierung wird das Thema der Einwanderung und Absorption an die Spitze ihrer Interessen stellen und fleißig auf einen Anstieg der Einwanderung aus allen Ländern der Welt hinwirken.

Die Regierung wird die Erziehung ins Zentrum der nationalen Prioritäten stellen und auf Reformen im Erziehungswesen hinarbeiten.

Die Regierung wird den jüdischen Charakter des Staates und das Erbe Israels bewahren und auch die Religionen und Traditionen der Angehörigen der im Staat existierenden Glaubensgemeinschaften respektieren, gemäß den Werten der Unabhängigkeitserklärung.

Die Regierung wird auf administrative Reformen zur Verbesserung der Stabilität und des Regierens hinarbeiten.

Die Regierung wird für den Umweltschutz in Israel eintreten, für die Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner des Staates und für einen israelischen Beitrag beim globalen Bemühen in der Klima- und Umweltfrage.“

(Außenministerium des Staates Israel, 31.04.09)

 

KOMMENTAR

Israels Regierungserklärung mäßig bis schlecht

Die Regierungserklärung Netanyahus spart nicht mit einseitigen Schuldvorwürfen gegen die Palästinenser und tadelt die übrige Welt wegen angeblicher Untätigkeit gegenüber dem Holocaustleugner-Regime in Teheran.

Brauchbares findet sich wenig, immerhin das allerdings nur vage Versprechen: "Wir werden den palästinensischen Sicherheitsapparat unterstützen, der den Terror bekämpfen wird. Und wir werden kontinuierliche Verhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde führen, in dem Streben, zu einem Endstatusabkommen zu gelangen.
Wir wollen über kein anderes Volk herrschen, wir wollen nicht über die Palästinenser herrschen. Bei einem Endstatusabkommen werden die Palästinenser über alle Vollmachten verfügen, die dazu nötig sind, um sich selbst zu regieren, mit Ausnahme jener, die die Existenz und die Sicherheit des Staates Israel bedrohen."


Dass Israel zur Schwächung der Fatah die Hamas in ihren Anfängen unterstützte, in späteren Jahren dann Arafats Regierungsgebäude und Sicherheitsapparat zusammenschoss, weil der nicht genug gegen die Hamas unternehme, kann die Regierungserklärung jedoch kaum vergessen machen. Werden solche Fehler nicht eingeräumt, ist auf Besserung kaum zu hoffen, aber sollte gefordert werden, Schritt für Schritt, damit es vorwärts kommt, denn Fatalismus wäre falsch.

Vollkommen auf Irrwegen ist auch die folgende Passage: "Die Regierung wird das Thema der Einwanderung und Absorption an die Spitze ihrer Interessen stellen und fleißig auf einen Anstieg der Einwanderung aus allen Ländern der Welt hinwirken."

Alle Politik braucht Begründung. Wie lautet die Begründung für solche Schwerpunktsetzung?

Das ist die Fortsetzung der "demographischen Politik", wie sie auch den Islamisten vorzuwerfen und auf Majorisierung und Verdrängung nach pseudoreligiösen Gesichtspunkten gerichtet ist.
Dem hilft nicht ab, wenn die Regierungserklärung andererseits beteuert, den Islam und die Araber zu achten "und auch die Religionen und Traditionen der Angehörigen der im Staat existierenden Glaubensgemeinschaften (zu) respektieren, gemäß den Werten der Unabhängigkeitserklärung."

Zudem wird zivilisiertes Nebeneinander an den wenigen Brunnen und auch sonstig knappen Ressourcen dieser Wüstenregion nicht gerade dadurch erleichtert, wenn Israelis und Palästinenser ihre Konflikte im Wege der gegenseitigen Übervölkerung zu lösen versuchen.

Und immer wieder auch nicht harmlos, wenn Netanyahu den "jüdischen Charakter des Staates" zur Bedingung der Bewahrung des israelischen Erbes erklärt, denn der "jüdische Staat" kann so wenig Garant für die Gleichberechtigung aller Glaubensrichtungen sein, wie es der "islamische Staat" oder der "christliche Staat" gewährleisten könnte.

Diese gleichermaßen menschenrechtswidrige wie gotteslästerliche Gottesstaaterei ist dem Likud mit der Hamas gemeinsam, aber auch mit Frau Merkel und Achmedinedschad  zumindest im Grundirrtum gleich und setzt alle anderen Bekenntnisse herab, wie es auch keinen "atheistischen Staat" geben dürfte, sondern einzig allen gerecht nur ein Staatswesen sein kann, dessen "Charaker" bzw. Verfassung einzig dem Pluralismus und Humanismus verpflichtet ist.

Die Gründe für die totalitären Verfassungsattitüden sind historisch, sind populistisch, opportunistisch, aber dass es Gründe gibt, genügt halt nicht immer zur Entschuldbarkeit. Und schon gar nicht, wenn die Historizität nicht Teil des Erklärungsbewusstseins ist, sondern Ewigkeitsansprüche zum Nachteil anderer postuliert.

Israel und jeder hat allen Grund, die gegen Israel geäußerten Auslöschungswünsche ernstzunehmen, aber dem ist weder dadurch beizukommen, dass Israel die Juden aller Welt in den eigentlich territorialen Konflikt einlädt, wie auch nicht dadurch, dass Israel den Konflikt globalisiert, indem es sich als westlicher Frontstaat gegen den Islamismus definiert.

"Wenn Sie wirklich Frieden wollen, ist es möglich, Frieden zu erreichen", sagt Netanyahu an die Adresse der Palästinenser, aber er selbst muss sich sagen lassen, dass wer wirklich Frieden will, der kann ihn nicht mit Gottesstaaterei herbei heucheln. Netanyahu so wenig wie Achmedinedschad . Mit Majorisierung auch nicht. Und mit Waffenüberlegenheit so wenig wie durch Terrorismus. Das alles sind falsche Wege. Und sie bedingen gegenseitige Eskalationen, für die jede Seite Mitverantwortung trifft.

Aber ich will es gut ausklingen lassen, denn ein Satz aus der Regierungserklärung muss mir positiv auffallen, weil er mit dem diplomatischen Imperativ zu tun hat; Netanyahu sagte: "Und wir werden kontinuierliche Verhandlungen mit der Palästinensischen Autonomiebehörde führen, in dem Streben, zu einem Endstatusabkommen zu gelangen."

"Kontinuierlich bis zum Erfolg" - das ist der Punkt, auf den es ankommt. Das muss gelten, und daran ist Netanyahu zu messen. Lässt er es an Ernsthaftigkeit fehlen oder verweigert sich die Hamas, so darf man die Streiterledigung nicht länger den Streitparteien belassen. Und wenn kein bloßes Ermahnen genügt, dann muss der Weltsicherheitsrat urteilen und das Völkerrecht auch vollstrecken.

Hallo Herr Netanyahu, Ihre Regierungserklärung ist vernommen. Vieles daran ist falsch, einiges aber immerhin richtig und darf kein leeres Versprechen sein. Die Freunde Israels haben darauf nicht minder zu achten als es die Feinde Israels ohnehin, aber in der Erwartung tun, dass Sie versagen. - Das muss Ihnen bewusst sein.

Markus Rabanus - Dialogie.de / 6.4.2009

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