Iran
am Scheideweg
Der "Erdrutschsieg" Ahmadinedschads droht ihn politisch zu begraben,
wenn der Wahlfälschungsvorwurf offiziell bestätigt werden sollte. Aber wie es
auch kommt, ob die Massenproteste verebben oder niedergeschlagen werden, es ist
ein Desaster für das gesamte Regime, das im Unterschied zu demokratischen
Staaten weit mehr auf die Glaubwürdigkeit der Machthaber angewiesen ist, weil
es anstelle der streitbaren Demokratie einen religiösen Konsens beansprucht,
den es auch in der islamischen vielfältigen Gesellschaft nur in dem Maße geben
kann, wie sich die Muslime im Widerspruch zur übrigen Welt sehen und oft genug
auch erleben.
Die Massenproteste sind ein Desaster für das iranische Regime, das trotz Obama
am Konfrontationskurs festhalten will, weil es die außenpolitische
Konfrontation für den innenpolitischen Konsens braucht, mit den Wahlen
vorweisen wollte und nun doch nicht vorweisen konnte, denn wenn es auch
"nur 32 Prozent" für eine gemäßigtere Richtung gab, so könnten die
Radikaleren nicht einfach daran vorbei, ohne den Konsens ihrerseits zu verraten.
Deshalb steht der Iran jetzt am Scheideweg. Keine endgültige Sache, wie sie so
oft voreilig erhofft wird und dann doch wieder scheitert, aber ein vorläufiger
Scheideweg: Entweder eine mindestens vorgetäuschte Entradikalisierung oder aber
das Blutbad in Richtung unverblümter Diktatur der Radikalen über die Gemäßigteren.
Heute: Aktuelle Stunde im Bundestag
Unsere Parteien werden wetteifern, wer den Iran am "schärfsten
verurteilt" und mit Sanktionen bedroht. Dabei wissen sie längst aus den
Erfahrungen mit dem Irak und anderen Sanktionierten, dass es eher
nationalistisches Gegenteil bewirkt, zumal an wirklichen Sanktionen längst
nichts mehr in der Kiste ist und die Mächtigen - wenn überhaupt - zuletzt
treffen würde.
Unsere Politiker werden behaupten, dass der Wählerwille respektiert werden müsse,
als hätten sie jemals das eigene Volk gefragt, ob wir den Eurofighter wollen.
Oder stattdessen 150.000 Studienplätze. Aber nicht das Volk, sondern Kriminelle
wurden gefragt, z.B. Staatssekretär und Daimler-"Manager" Ludwig-Holger
Pfahls.
Die Menschen im Iran brauchen von unseren Politikern keine Ratschläge, sondern
müssen und können sich selbst überlegen, wie sie im Land miteinander umgehen
wollen und dürfen. Und mit der übrigen Welt.
Allerdings gibt es spätestens seit Auschwitz niemals wieder das Gebot zur
Nichteinmischung seitens anderer Staaten.
Wir sind eine Welt. Das wissen doch auch die Mullahs in Teheran schon aus Gründen
ihrer Religion. Und mischten sich wie das römische Christentum in Jerusalem und
bis in die fernsten Urwälder Indonesiens mit frommen Sprüchen und
bluttriefenden Schwertern ein.
Die Frage bei aller Einmischung kann daher einzig sein, ob die Anlässe genügen
und die Methoden hinreichend legitim sind.
Mir wäre ausnahmsweise am liebsten, wenn sich Deutschland und Europa gegenüber
dem Iran zurückhielten, denn da sind Obama und Ban Ki Moon einfach besser.
Deutschland und Europa müssten sich in Sachen Iran dennoch nicht langweilen,
sondern sie könnten sich auf Moskau konzentrieren, weil die russische Regierung
Ahmadinedschad voreilig feiert, mit dem sich die "guten Beziehungen
vertiefen" würden; russische Waffenlieferungen.
Markus Rabanus 20090617 >> Diskussion