Carla & Hans 

www.initiative-dialog.de 

 

Namen sind geändert

   wer sie waren

   wer sie sind

   was sie werden


Wir werden über das Leben von Carla Schmitt ausführlich berichten, aber verschieben es um etwa eine Woche, weil wir dem SPIEGEL ohne jedes Honorar den Vortritt lassen. -  Wir legen auf die Feststellung der Unentgeltlichkeit allergrößten Wert, zumal wir in der Vergangenheit häufig Tätern und Medien den Vorwurf machten, sich an der skrupellosen Vermarktung von Crime-Stories zu bereichern und dadurch die gesellschaftliche Moral zu unterminieren.

Unterstreichen wollen wir jedoch auch, daß die Dinge im vorliegenden Fall anders liegen, denn es geht um die Abkehr mehrerer Menschen von Kriminalität - und es geht um die ehrenamtliche Arbeit von Mitgliedern der www.Initiative-Dialog.de , die mit ihren Publikationen ohne politische oder finanzielle Unterstützung seit Dezember 1998 mit inzwischen mehr als 50.000 Lesern monatlich einen wichtigen Beitrag im Internet gegen Haß und Gewalt in unserer Gesellschaft leistet.

Sven          Berlin, d. 25. Sept. 2000

    


Carla S. schrieb uns am 26.04.00 : 

Hallo!

Habe heute erst Eure Site www.nazis.de im internet entdeckt und finde sie prima! Ich (w,36 Jahre) war auch einmal von der wahnsinnigen Idee des Nationalsozialismus begeistert, habe mich aber absolut davon distanziert und bin nun sehr interessiert daran, anderen zu berichten, wie schlimm all der Hass, die Intoleranz und die Gewalt gegen andere und auch gegen Sachen sind! Habe selbst sehr viel Mist gebaut (Friedhof in Tatort anonymisiert v. Redaktion, Hakenkreuzschmierereien, Uniformierung und dergleichen) - ich bin durch meine eigene Einsicht und Kraft wieder von diesem Horrortrip des Hasses heruntergekommen. Viele Strafen werde ich nun zahlen müssen, aber das ist nur richtig so, denn ich habe die Gefühle und Empfindungen vieler meiner Mitmenschen verletzt und großen Schaden angerichtet! Nun soll aus meiner Schuld eine konstruktive Sühne erwachsen, und ich will aktiv gegen jegliche Formen des Nationalsozialismus im Besonderen und der Intoleranz im Allgemeinen vorgehen. Meine e-mail Adresse stammt noch von letztem Jahr und ich weiß noch nicht, wie ich sie ändern kann, deshalb der begriff  "anonymisiert v. Redaktion".  Vielleicht kann mir mal jemand von Euch antworten, ich würde mich sehr freuen, denn ich möchte Euch gerne bei Eurer guten Arbeit helfen!  

Liebe Grüße von Carla

   
Namen und Adressen wurde von uns anonymisiert, was nicht in ihrem Sinne war, aber wir wussten, dass es "Schwierigkeiten" mit den ehemaligen "Kameraden" geben würde und hatten später einiges einzudämmen.

Wir "checkten" Carla durch, Name, Adresse und Geschehen stimmten. Trotzdem gab es Vorbehalte in unserer Initiative, aber wir integrierten sie in unsere Arbeit und lernten sie mehr und mehr kennen. In Beobachtung ihrer leidenschaftlichen eMail-Korrespondenz mit Extremisten wurde klar, daß die erhaltenen Informationen über unsere Internet-Leserschaft hinaus von Bedeutung und Interesse ist. 

Deshalb nahmen wir Kontakt zu Rechtsextremismus-Experten des SPIEGEL auf. Carla war zunächst dagegen, weil sie befürchtete, dass man ihr vorwerfen könne, durch solch eine "Story" um die Bestrafung kommen zu wollen. Aber sie ließ sich überzeugen und zunächst war beabsichtigt, dass die Reportage erst nach dem Prozess veröffentlicht wird, denn auch der SPIEGEL wollte vorsichtig sein und nichts schreiben, was sich dann im Prozess anders darstellen könnte. 
Wir stellten zwischen SPIEGEL und Carla den Kontakt her und bald waren sich beide Seiten einigermaßen sicher, dass keine Märchen erzählt werden. 
Der SPIEGEL ging mit viel personellem Aufwand an die Arbeit und es war beeindruckend, über wie viele Einblicke in die Szene bestanden, die zur Ergebnis-Absicherung genutzt wurden. 

Immerhin: Der SPIEGEL wurde sich seiner Recherche so sicher, dass nun doch schon vor dem Prozess die Veröffentlichung kam. KLICK

Im Nachhinein betrachtet bin ich heute froh, dass alles "klappte", denn wir wussten zwischendurch nicht, ob der SPIEGEL mehr als wir über die beiden bzw. drei Aussteiger wusste, obwohl wir uns nun schon seit Monaten in fast täglichen Kontakten gegenseitig in Karten schauten, aber letztlich musste uns als Initiative immer wieder verunsichern, was aus der Szene und auch von anderen Seiten an Warnungen kam.

Der SPIEGEL verzichtete zwar nicht auf einen unterhaltsamen Stil, aber auf jegliche Sensationsmache verzichtete, denn gerade in der "Sensationsarmut" dieses Falles liegt die "eigentliche Sensation" entgegen den Klischees, denen viele in Betrachtung der rechtsextremistischen Szene anhängen.
 
Die erschreckende Geschichte von Carla S., ihrer Tochter und ihrem Lebensgefährten hat ihre Entstehung aus Alltäglichkeiten unserer Gesellschaft, die darum und dennoch so schlecht mit Extremismen umzugehen versteht.

Wer die Arbeit unserer Initiative kennt, weiß, daß wir keine "Schuldumkehr" oder "Schuldvergesslichkeit" mitmachen, sondern in allem, was wir tun, die Eigenverantwortlichkeit der Menschen in den Vordergrund stellen, aber Politik ist Rahmengebung, ist Reaktion und Initiative für das, was die Menschen aus ihrem Leben für sich und andere werden lassen.  Diesem Politikanspruch genügen die Sonntagsreden nicht, bei denen diejenigen weghören, denen sie gehalten werden müßten.   
Die Politik steht in der Pflicht, den Rechtsextremismus "mit allen Mitteln der Demokratie" in die Schranken zu weisen. 

Gesetze allein genügen nicht, sie müssen auch zur Anwendung kommen. Aber auch die Anwendung genügt nicht, denn wenn der Richter dem Täter die Legitimität des Urteils erklärt, ist es bereits für die Opfer zu spät.

Die Legitimität unserer Rechtsordnung bedarf des Nachweises im Alltag der Menschen, denn sie ist kein Bürgerbewußtsein, das spontan und unisono der komplizierten Realität einer zur Entsolidarisierung tendierenden  Wettbewerbsgesellschaft erwachsen würde.

Deshalb genügt es nicht, "über" den Rechtsextremismus zu reden, vielmehr müssen wir auch "mit" den Rechtsextremisten reden. - Das ist die Arbeit der www.initiative-dialog.de  und Aufgabe der gesamten Gesellschaft.

Carla S. wurde politisch kriminell. Zu jeder Zeit hätte sie das Unrecht ihrer Taten erkennen können und müssen. Darin liegt ihre strafbare Schuld.

Die Eigenart politischer Straftaten besteht darin, daß dem Täter das  Unrechtsbewußtsein fehlt, denn er ist in unentschuldbarem Irrtum davon überzeugt, daß seine politischen Ziele die Handlungen moralisch rechtfertigen.

Carla S. hatte ihre Schuld erkannt und änderte ihr Leben. Das führte sie zu uns.

Wie in allen Fällen spüren wir bei Carla, was die Gesellschaft gern bestreitet: daß es Chancen gab in Carlas Umgebung. Chancen, diese Frau aufzuhalten. Denn nichts passiert im rechtsextremen Netz, was nicht vorher zu sehen gewesen ist. - Das ist kein Freispruch, aber Mitverantwortung, zu reden mit Extremisten, wann immer man sie trifft.

www.initiative-dialog.de wird Carla S. begleiten.

SPIEGEL-Reportage zu Hans und Carla > KLICK

www.nazis.de       www.inidia.de/carla.htm      DISKUSSION