Geschichtsschulbücher 


@Anil K., 

die Thesen von Etyen Mahçupyan sind zumindest interessant. Mich stört dann auch nicht, dass er ein Mann Erdogans sei, Mit allen Konstellationen gilt es umgehen zu können. 

Wenn ich mir Schulbücher anschaue, welchen Unfug noch meine älteren Geschwister über die deutsche Geschichte lernten, welchen Unfug auch ich noch in den Siebzigern und unsere Kinder in den Neunzigern, dann erklärt sich daraus so vieles an politischen Einstellungen, dass ich einfach mal Verständnis für jeglichen Murks in den Köpfen habe, auch das Verhältnis von Türken und Armeniern betreffend. 

Es muss eben geübt werden, die Welt aus Perspektive der anderen zu sehen - und auch dann wäre noch viel zu tun, denn zur erforderlich höherer Vernunft gelangt man auch durch die Opferperspektiven nicht, sondern ganz wesentlich durch Einsicht, dass es keine "historische Gerechtigkeit" geben kann - und deshalb jeder Rückblick über die geschichtliche Wahrheit hinaus nur dann politischen Sinn macht, wenn daraus kein Revanchismus entsteht, sondern Bewusstsein für Gemeinsamkeiten und Gemeinschaft.

Markus S. Rabanus 20150603

Armenier-Genozid

@Anil, wie übrigens auch zu deiner Analyse ganz oben. stimme ich zu, plädiere jedoch tatsächlich für "Verständnis", was mir nicht mit Einverständnis gleichbedeutend ist, sondern mit in Erfahrung bringen, wie es zu Ansichten kommt, denn auch die schlimmsten Verbrechen, so "grundlos" sie uns scheinen und oft "sinnlos" sind, haben Gründe. 
Und diese Gründe müssen wir berücksichtigen, es sei denn, wir könnten oder dürften sie liquidieren. 
Die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern lässt sich meines Erachtens u.a. auch deshalb nicht mit der Holocaustleugnung vergleichen, weil die Shoa immerhin Gegenstand eines bedeutenden Völkerrechtstribunals war, während der Völkermord an den Armeniern im Getöse der kriegerischen Welt nahezu ohne Widerhall unterging und niemand dafür verurteilt wurde. 
Diese besondere Tragik für die Armenier ist zugleich Grund für das falsche Geschichtsbild vieler Türken, so dass nicht so gleichermaßen wie bei der Holocaustleugnung überhaupt von Leugnung die Rede sein kann, denn Leugnung ist bewusste Unwahrheit - und das lässt sich bspw. türkischen Schülern an türkischen Schulbüchern eben nicht erkennen.
Dafür dürfen wir sie nicht in die Haftung nehmen wollen, sondern müssen mühsam aufklären.

Und wir müssen unsere Gründe nennen. Denn bloß "die Wahrheit" lohnt gute Argumente, aber kaum zwischen den Menschen. 

Und zur Toleranz? Auch diesbezüglich liegen die Karten verschieden, denn die Holocaustleugnung lässt sich in Deutschland von größter Bevölkerungsmehrheit akzeptiert bestrafen, während genau das in der Türkei mit der Völkermordleugnung kaum demokratische Unterstützung hat.
Noch ist es in der Türkei umgekehrt, dass die Aufklärer auf Toleranz einer nationalistischen Mehrheit angewiesen sind, um nicht wegen "antitürkischer" Umtriebe juristisch verfolgt zu werden. 
Kurzum: Wir können alles miteinander vergleichen, aber Gleichheitszeichen bleiben seltener. LG

 

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