Filmkritik - Der Untergang

Liebe Mitlesende,
Zitat Sven ...aber so, dass auch den blödesten Idioten die Schwärmerei für Krieg und Soldatisches vergehen müsste. Folglich kein Film für Faschos, die Faschos bleiben wollen.

Gegenüber dieser Einschätzung bin ich skeptisch.

Ein Freund von mir fühlte sich durch den 'Untergang' an 'Titanic' erinnert. Und erscheint der Untergang Deutschlands nicht tatsächlich als Naturkatastrophe, als Unglück, dass über uns hereingebrochen ist? Würde der Film nicht auch funktionieren, innerhalb eines anderen historischen Kontextes, in dem Deutschland von der Sowjetunion unverschuldet überfallen wurde?
Und ist es nicht faszinierend zu sehen, wie der Kapitän bis zum Schluss an Bord bleibt und die Getreuen aufrecht in den Tod gehen?
Wer für Krieg und Soldatisches schwärmt, kann von dem Film begeistert sein: Die zackige Disziplin, die erstaunlich lange funktioniert, der Ehrenkodex der Offiziere und die unangefochtene Autorität des Führers - mein These wäre, dass man den ganzen Film auch in der Gegenrichtung lesen kann.

Spätestens hier erweist es sich dann als Verhängnis, dass der Film sich sklavisch an die überlieferten Fakten hält und so mutlos auf jede Deutung verzichtet. Wer als hermeutischer Geisterfahrer unterwegs ist, dem kann man im Grunde nicht einmal vorwerfen, er habe den Film falsch verstanden. Und dass er die Geschichte falsch verstanden hat, war schon vor den Film klar. Umgekehrt ist auch derjenige, der sich im Bewusstsein der Menschenverachtung des NS ins Kino setzt, hinterher durch nichts bereichert worden. Was man weiß, wusste man auch schon vorher, hätte es wissen können. Intellektuell anregend ist der 'Untergang' jedenfalls nicht.

Der Film zehrt sehr stark vom der halb apokalyptischen, halb sedierten morbiden Untergangsstimmung, auf deren Evokation es auch das Buch von Fest im Grunde anlegt. Die Führergestalt, nur noch ein fahler Schatten seiner selbst, parkinsongeschüttelt, gebeugt und mit dunklen Augensäcken, sabbernd beim Essen, die Uniform verdreckt - so hat es Fest beschrieben, so lässt der Film dann ebenfalls den Führer durch die klaustrophobische Enge seines Bunkers schleichen. Fests These, dass diese todesnahe Erscheinung die Suggestivkraft und die Autorität nur noch gesteigert hat - auch darin folgt ihm der Film.

Ein morbides Kammerspiel mit einer eigentümlichen und fesselnden Ästhetik, die ganz auf die Macht der Bilder setzt und hinter der die Dialoge flach bleiben - so hat der Film auf mich gewirkt. Durchaus faszinierend, vor allem darin, wie Faktizität in eine filmische Phantasmagorie überführt wird, der man sich überlassen kann. Aber auch anmaßend, weil der Film vorgaukelt, Erkenntnis sei ein Frage möglichst authentischer Bildwelten. Darin liegt wahrscheinlich eine Konstante kinematographischer Selbstüberschätzung.

grüße
martin    01.10.2004  >> Diskussion