Die Apothekerrundfahrt im westlichen Ausland 19. Juli 2007
Eine Konsequenz, die ich kaum für möglich
gehalten hätte, ist nun doch eingetreten: Gestern haben ARD und ZDF ihren
"vorläufigen" Ausstieg aus der Tour de France-Berichterstattung erklärt,
"vorläufig" bis zur "Klärung" der Doping-Vorwürfe gegen
Patrik Sinkewitz - wobei man nicht davon auszugehen braucht, dass die B-Probe
ein anderes Ergebnis liefern wird als die A-Probe: Doping mit Testosteron.
Für T-Mobile der Super-Gau - schon überdenkt der Sponsor sein künftiges
Engagement - aber im Grunde ein Einschlag genau zum richtigen Zeitpunkt. Denn um
die geständigen Ex-Profis war es schon wieder still geworden und die Aufklärungsbemühungen
drohten bereits wieder von einer Neuanfangs-Rhetorik überdröhnt zu werden, an
der auch die berichtende Zunft fleißig mitgearbeitet hat, der die
Doping-Thematik zuletzt auch nur noch notwendiges Übel zwecks Aufrechterhaltung
einer Fassade von 'kritischem Journalismus' zu sein schien. Live erfahrbar im Gebaren
der Fernseh-Kommentatoren erst kürzlich, beim Etappensieg von Linus Gerdemann,
der in den Studios Begeisterungsstürme entfachte, als sei es endlich ein
Befreiungsschlag von all dem lähmenden Leidwesen, das die Dopingthematik über
den Radsport gebracht hat. Es hätte tatsächlich nicht viel gefehlt und denen,
die weiterhin skeptisch blieben, wäre Defätismus und Wehrkraftzersetzung
unterstellt worden.
Gerade im Sport zeigt sich, wie sehr der Journalismus Teil des Systems ist, abhängig
von einer auf Sieg und Erfolg ausgerichteten Berichterstattung, abhängig auch
vom Zugang zu den Profis und zu ihrem Umfeld, ein mafiöses Gestrüpp aus
wechselseitigen Interessen und (zu) persönlichen Kontakten. Auf der
Pressekonferenz um Zabel und Aldag haben sich alle geduzt.
Der Weltverband UCI war jüngst in der Kritik, weil die Proben künftig nicht
dauerhaft konserviert werden sollen. So werden die Kontrollen immer an die
aktuell verfügbaren Testmethoden gebunden bleiben und eine Überprüfung ex
post wird unmöglich sein. (Zur Verdeutlichung: Wachstumshormone sind aktuell
nicht nachweisbar, man rechnet aber mit der Entwicklung einer zuverlässigen
Methode bis Ende diesen Jahres). Vielleicht ist die Entscheidung aber auch klug,
sonst müsste man konsequenterweise in irgendeiner fernen Zukunft wohl daran
gehen, Jacques Anquetil zu exhumieren und in seiner Asche nach Medikamenten zu
forschen. Die Siegerlisten müssten permanent umgeschrieben werden.
Fragt sich, wer überhaupt ein Interesse an der Trockenlegung des Dopingsumpfes
hat, wenn schon die eigenen Verbände ihren Sport nicht allzu sehr in Verruf
bringen wollen. Der Sportjournalismus scheidet aus oben genannten Gründen aus.
Die Politik hat gerade entschieden, die Benutzung von Dopingmitteln
strafrechtlich nicht zu sanktionieren. Die Sponsoren wollen vor allem ihre
Trikots vorne sehen, können sich im Zweifelsfall auf Vertragsklauseln zurückziehen
und ihre Hände in Unschuld waschen. Und die Fans? Will der Radsportfan
wirklich, dass sich seine favorisierte Disziplin in einem Prozess der
Selbstzersetzung auflöst? Wohl eher nicht.
Die adäquate Haltung scheint mir die einer heiteren Distanz zu sein, die den
Dopingzirkus als inhärenten Teil des Unterhaltungspotentials des Radsportes
betrachtet.
-martin- >> Diskussion