Es fließt durch meine Venen
Es schläft in meinen Tränen
Es läuft mir aus den Ohren
Herz und Nieren sind Motoren
Rammstein: Benzin,
2005
C. Leggewie / H. Welzer: Das
Ende der Welt, wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der
Demokratie. FfM 2009.
Die fossilen Energieträger waren der Treibstoff des Industriezeitalters. Ohne
die radikale Ausbeutung der in Jahrmillionen entstandenen Kohlenstoffvorräte
wäre der Take-Off in die industrielle Moderne undenkbar geblieben. Auf der
Grundlage von Kohle, Öl und Gas gründet nicht nur die technische
Fortschrittsgeschichte der Industrienationen. Die vermeintlich endlose Verfügbarkeit
der fossilen Brennstoffe hat über Jahrzehnte auch ein Denkmodell befeuert,
das die zivilisatorische Entwicklung der Menschheit ausschließlich als
unendliche Aufwärtsbewegung in einem potentiell unendlichen Raum der ökonomischen
Entwicklung imaginiert hat.
Mit dem drohenden Klimawandel ist diese Form des Wirtschaftens in eine Krise
geraten, die – legt man die am weitesten ausgreifenden Szenarien zugrunde
– den Fortbestand der Menschheit bedrohen könnte. In ihrem neuen Buch Das
Ende der Welt, wie wir sie kannten umkreisen der Sozialpsychologe
Harald Welzer und der Politologe Claus Leggewie die im Zeichen des
Klimawandels zu einer globalen Metakrise kumulierten Krisenszenarien des
Umwelt-, Energie- und Ernährungssektors. Der herrschende dilatorische
Politikstil – die Verschiebung der Probleme an kommende Generationen und der
daraus resultierende ungehemmte Zukunftsverbrauch – biete, so die Autoren,
die denkbar schlechteste Voraussetzung, um mit den drohenden Krisenszenarien
fertig zu werden.
Welzer und Leggewie untersuchen die kulturellen Mentalitäten und
sozialpsychologischen Bedingungen, die in den Industriestaaten den Rahmen für
das ökonomische und politische Handelns sowie für den Umgang mit der Krise
abgeben. Sie machen deutlich, dass die notwendigen Kursänderungen von den
politischen Institutionen alleine kaum zu bewältigen sind, dass der
notwendige kulturelle Wandel vielmehr von einer Stärkung individueller
Verantwortungsbereitschaft abhängt. Die Autoren widersprechen damit auch der
These, die kommenden Herausforderungen seien nur von autoritativen Strukturen
zu bewältigen. Die Überwindung der Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen
– verstanden nicht als technologisches, sondern kulturelles Problem – sei
nur im Zuge einer Stärkung des zivilgesellschaftlich-demokratischen
Selbstverständnisses der Gesellschaft zu realisieren.
„Am Horizont der Großen Transformation
steht eine postkarbone Gesellschaft mit radikal veränderten sozialen,
politischen und kulturellen Parametern.“ (S. 13)
(Im Folgenden sollen einzelne Kapitel des Buches näher beleuchtet werden.)
Martin >> Diskussion