Silvio Berlusconi    ergänzen und DISKUSSION
geboren 1936, italienischer Unternehmer mit Monopolstellung im italienischen Privat-Fernsehen und Gründer der rechtsgerichteten "Forza Italia" 

6. März 2002: 
In Rom demonstrierten am Samstag rund eine halbe Million Menschen gegen Person und Politik von Regierungschef Silvio Berlusconi. 

Anlässlich seiner Türkei-Reise am 12.Mai 2003 kündigte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi an, dass er sich mit Antritt der EU-Ratspräsidentschaft für ein "Groß-Europa" einsetzen. Nur ein "Groß-Europa" mit der Türkei und einigen früher zur Sowjetunion gehörenden Staaten könne Europa der wirtschaftlichen und militärischen Macht der USA etwas entgegensetzen.
Kommentar:  Der Medienzar und italienische Ministerpräsident outet mit seinen Sprüchen antiquiertes Blockdenken, denn es kann nicht darauf ankommen, den USA das geeinte Europa "entgegenzusetzen". Stattdessen kommt es darauf an, dass die USA über die Vereinten Nationen reintegriert werden.

2003:  Der Gerichtsprozess gegen Berlusconi wegen des Verdachts, in den 80er Jahren Richter bestochen zu haben, um ihre Entscheidung hinsichtlich der Übernahme der staatlichen Lebensmittelgruppe SME zu seinen Gunsten zu beeinflussen, wird durch ein Gesetz gestoppt, das den fünf führenden Politikern Italiens, darunter auch ihm, weitreichende Immunität zusichert.

 
2.7.2003 - Italiens Medienunternehmer und Ministerpräsident Silvio Berlusconi gab in seiner ersten Rede als turnusmäßiger EU-Ratspräsident vor dem Straßburger Parlament ein Beispiel seiner moralischen Unbefangenheit, als er in Replik auf eine Kritik des Sozialdemokraten Schulz sagte:

"Herr Schulz, ich weiß, dass in Italien derzeit ein Produzent einen Film über Nazi-Konzentrationslager dreht. Ich würde sie für die Rolle des Kapos vorschlagen. Sie wären perfekt dafür."

Nach einer Sitzung der konservativen Fraktion entschuldigte sich Berlusconi "beim deutschen Volk, dessen historische Empfindsamkeit mit der Äußerung nicht treffen wollte".

In Berlin und Rom wurden diplomatische Protestnoten ausgetauscht.


Kommentar:

Wer die Bilder zeigten, dass Berlusconi seinen Spruch für eine humorvolle Polemik hielt, mit der er Martin Schulz in Sekundenschnelle zu einem medien-prominenten Mann machte. Man könnte ihn allenfalls seiner politischen Dummheit schelten und am Verstand der italienischen Wähler zweifeln, die einen solchen Mann in der Politik zu dulden. Aber vor allem letzteres werden die Berlusconi-Kritiker in ihrem Normal-Opportunismus nicht wagen. Den Wähler beschimpft man nicht.

Stattdessen eilte man nach dem Spruch von Berlusconi in die für solche Vorfälle typische "Betroffenheit". Europa werde durch Berlusconis Ratspräsidentschaft Schaden nehmen usw. Der Mann sei unberechenbar. -

Ja, das stimmt alles. Aber wer sich ernsthaft daran stört, dass Politiker von ihrer Selbstherrlichkeit Gebrauch machen, sollte in Europa für Gesetze sorgen, die der Selbstherrlichkeit begegnen, etwa dadurch, dass nationale Gesetze, die führenden Politikern besondere Immunität zusichern, gegen EU-Recht verstoßen. Und Silvio könnte ab sofort wieder wegen der Korruptionsvorwürfe vor Gericht.

Oder eben auch durch ein EU-Gesetz, dass die Ämterverquickung von Wirtschaftsunternehmen und Politik verbietet, aber damit würde man sich in fast jeder EU-Parlamentsfraktion ins eigene hungrige Fett schneiden.

Und von solchen Forderungen war auch der Rede von Martin Schulz nichts zu entnehmen, der zwar zurecht die persönliche Integrität Berlusconis angezweifelt hatte, aber keinen Verstand dafür andeutete, wie das anders als durch moralisches Gejammer politisch, also vor allem gesetzlich zu regeln ist.

Viele Parlamentarier scheinen nicht zu wissen, was ihre eigentlich parlamentarische Aufgabe ist: Gesetzgebung, Gesetzesverbesserung. Stattdessen vertun sie Zeit und Steuergeld mit mehr oder minder dummen Wahlkampfrhetorik.

Berlusconi, kein Nervenkitzel für mich, sondern nur ein etwas krasseres Symptom für die Demokratiedefizite Europas.

Sven Redax

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