Antisemitismus in der Schule [ Forum ] |
von Danijel Friedeman, am 7.Nov.2003 20:50 |
Antisemitismus [ Forum ] |
von Tobias Kell am 8.Nov.2003 19:33 |
Antisemitismus [ Forum ] |
von oOOo am 8.Nov.2003 20:17 |
Antisemitismus [ Forum ] |
von Tobias Kell am 10.Nov.2003 07:11 |
Antisemitismus [ Forum ] |
von Annamirl Elkofen am 8.Nov.2003 22:45 |
Antisemitismus [ Forum ] |
von Londo Mollari am 10.Nov.2003 14:32 |
Hallo Annamirl,
Du rätst ihm, dass er "sich nicht so zu Herzen nehmen" solle,
ich hingegen bin froh, dass ein so junger Schüler sich etwas zu Herzen nimmt, obwohl die antisemitische nicht ihm persönlich gilt, sondern allgemeinerer Art ist.
Wenn ihm das trotzdem missfällt und er etwas dagegen tun will, dann ist das genau die richtige Reaktion.
Du rätst ihm, dass er die antisemitischen Beschimpfungen nicht zur Anzeige bringen solle,
weil er sich damit unbeliebt macht. Das ist wahrscheinlich und dieser Rat stimmt, aber er ist nicht vollständig, denn einem 15-Jährigen solltest Du auch erklären wollen, WARUM das so ist, dass man sich "unbeliebt macht", wenn man seine Rechte juristisch geltend macht, denn das Gesetze und Gerichte sind extra dafür geschaffen, dass Menschen sich nicht selbst Risiken aussetzen, sondern dass diejenigen in das Risiko der Strafverfolgung kommen, die Gesetze brechen.
Was also hat Daniel Deines Erachtens zu befürchten und was sollten Mütter wie Du tun, damit die Gesetze und Gerichte Kindern helfen, wenn die Erwachsenen in seiner Umgebung versagen?
Was also sagst Du Deinem gleichaltrigen Sohn, was er tun soll, wenn in seinem Umfeld "Jude" als Schimpfwort benutzt wird?
Meinen Kindern brauchte ich es übrigens nicht zu sagen, dass sie in solchen Fällen Position beziehen, denn sie tun es von sich aus, ABER gefragt habe ich sie danach. Und ob es schon vorkam. Und es kommt so häufig vor, dass es lohnt, sich eine "gute Reaktion" zu überlegen, denn für Politisches kann nichts anderes gelten als für jederlei Höflichkeit: man kann sie üben, überlegen, ob sie richtig und wirksam ist.
Vielleicht könnte folgende Reaktion auf antisemitische Sprüche hilfreich sein:
"Lass'mal die Sprüche >gegen die Juden<, wenn Du nicht auch mich meinen willst, denn Du kannst nicht wissen, ob nicht auch ich >Jude< bin." -
Wenn ein Kind zu solch oder ähnlicher Antwort fähig ist, dann kann man wirklich stolz auf sein Kind sein. Das wiederum machte auch das Kind stolz - und stark.
Aber Stolz und Stärke ist halt nicht alles. Es kommt darauf an, dass es sich nicht auf Schrott bezieht. - Und Kinder mögen es, wenn sie zum Schrott eine richtige Alternative wissen.Grüße von Sven
Redaktion
Antisemitismus [ Forum ] |
von Pavel am 10.Nov.2003 12:43 |
Was sind die "Lehren aus der Geschichte"?
Spezieller: Was sind die "Lehren aus dem Geschichtsunterricht"?Hallo Daniel,
im Prinzip gebe ich Pavel recht, dass Du nicht den "Helden spielen" musst, aber ich will Dich dennoch ermutigen, über Deine Fragestellung hier im Forum hinaus aktiv zu werden, also auch in der Schule, denn "Weghören" und "Überhören" kann nicht ausreichend sein.
Der Hinweis auf den Vertrauenslehrer erscheint mir da schon besser.
Es braucht Menschen, die gegen Antisemitismus vorgehen. Na klar sollst Du versuchen, Risiken zu vermeiden, denn unnötige Risiken wären "dumm" und nicht "heldenhaft".
Es muss also der schlaueste Weg gesucht und gefunden werden.Dazu dröselt man man am Besten zuerst das Problem etwas auf. Und einige Fragen würde ich dabei für besonders interessant halten:
1. Frage: Wie reagieren Deine Mitschüler darauf, wenn sie antisemitische Schimpferei hören? "Überhören" auch sie?
2. Frage: Oder gibt es da welche, die das nicht gut finden, etwas dagegen sagen oder kuschen?
Das war eigentlich nur eine Frage in mehrere gesplittet. Aber eines sollte eben klar sein und diese Mini-Erkenntnis sollte der Geschichtsunterricht mindestens zu vermitteln wissen: Faschismus konnte nur deshalb "passieren" und derart zur Katastrophe werden, weil in den vielen entscheidenden Momenten so viele Leute "wegguckten" und sich anpassten. Und das gilt nicht nur für den Antisemitismus, Faschismus, sondern für das Ausmaß politischer Missstände insgesamt.
Stelle Dir und Deinem Geschichtslehrer die in der Schule entscheidende Frage:
3. Frage: Was läuft da im Geschichtsunterricht falsch, wenn die Schüler nicht begreifen, wozu sie Geschichte lernen sollen? Wie wichtig sind für Dich, für mich, für alle die Frage, wann welche Schlacht und welches Menschheitsverbrechen stattfanden, wenn man daraus nicht zugleich lernt, wie man sie vermeidet?
Die meisten mosern nur, ducken sich weg, dabei müssten sie sich eigentlich immer überlegen, ob man nicht wenigstens irgendetwas dagegen unternehmen kann. Ich freue mich jedenfalls, dass Du nicht zum "Überhören" entschlossen hast, auch wenn der Rat, dass Du Dich davon nicht seelisch verletzen lassen sollst, von allen hier sicherlich gut gemeint ist.
Versuche stattdessen, dass DU Dich tatsächlich "etwas verletzen" lässt, wenn Leute Mist bauen, denn "Immunität" gegen den Antisemitismus kommt nicht dadurch, dass man sich einzubilden versucht, dass es einen nichts anginge. Wahre "Immunität" kommt dadurch zustande, dass man Abwehrkräfte bildet. Und das klappt auch: mit jeder kleinen Übung.
Grüße von Sven
"Denn sie wissen nicht, was sie sagen."
Wenn einer "Du Jude" wie ein Schimpfwort benutzt oder von "Negern" spricht, wenn er Schwarze meint, dann ist das für die Betroffenen eine Zumutung und für Gebildetere ein Zeichen dafür, dass da jemand ziemlich dämlich ist, zumindest aber aus ziemlich dämlichen Verhältnissen stammen muss, in denen solche Sprüche alltäglich sind. Oft aber sind es auch unüberlegte Dummsprüche und jemand will damit "eigentlich" niemanden aus rassistischen Gründen nerven. Wie sollte man auf solche Leute reagieren? Wenn es nur ein "Patzer" war, dann sollte möglich sein, die Person darauf anzusprechen und ihr klar machen, warum man sich daran stört.
Oft ist es aber so, dass gerade solche Leute ihr Dummgeschwätz auch noch "verteidigen", sich also damit herausreden, dass "es doch stimmt" usw., denn das ist die typische Reaktion von Erwischten, weil sich die Dummen ungern auf ihre Unüberlegtheit und ihre daraus resultierenden Fehler ansprechen lassen, was man wiederum absolut nicht gleich als "faschomäßig" auffassen sollte, denn solche Dummheiten gehen sehr weit über den Kreis von Faschos hinaus - anstatt sich zu freuen, etwas zu lernen, bewusster zu werden.Aber rassistische Dummsprüche fallen nicht so einfach vom Himmel, sondern wachsen aus den Böden unserer Gesellschaft, spiegeln wider, was es da an schlummernden Vorurteilen gibt. Und darin liegt dann auch das eigentliche Problem, denn solche Vorurteile lassen sich von extremistischen Ideologien ausnutzen, vertiefen, die Menschen gegeneinander zu Feinden werden lassen: da wird dann ein 15-Jähriger den anderen 15-Jährigen zum "Feind", weil er Jude ist oder schwarze Haut hat. Welch ein Unfug, denn es sollte doch nur eine Rolle spielen, ob einer nett oder unsympathisch ist, was sich doch nicht daraus ableiten lässt, welcher Herkunft er ist, aber solch Unfug will eben Rassismus, dass man nicht mehr auf den einzelnen Menschen achtet, sondern ihn haftbar macht für sein Feindbild, das man sich von Menschen anderen Glaubens, anderer Herkunft macht.
Wichtig ist mir, dass man in Reaktion auf "solche Dummschwätzer" nicht selbst in den Fehler verfällt, sie sämtlich in einen Topf zu werfen, denn genau darüber würden sich faschistische Organisationen freuen. Stattdessen sollte man versuchen, sie als Individuum so ernst zu nehmen, wie man selbst als Individuum ernst genommen werden will und wie jeder Mensch als Individuum ernst genommen werden sollte.
Man muss sich also für jeden Dummschwätzer die Frage stellen:
Wie kommt es, dass er zu solcher Dummheit fähig ist? Und jeder, der auf Dummschwätzer trifft, sollte sich dessen bewusst sein, dass es auch ein "gesellschaftliches Problem" ist, dass derjenige so ist, wie er ist, dass es also auch mit seinem "Umfeld" zu tun hat. Aber wenn man auf ihn trifft, dann ist man eben auch sein "Umfeld", wenigstens für ein paar Momente und das muss man nutzen, um dem Dummgeschwätze etwas entgegenzusetzen.sven20031110
Hallo Annamirl,
da hattest Du doch schon in Deinem ersten Posting betont, dass Daniel keine Polizei einschalten solle, aber das genügt Dir nicht, sondern Du würdest daraus wieder eine "Denunziation" machen.Wenn ein Kind nicht mehr ein noch aus weiß, dann darf es sich Hilfe holen, auf welche Weise auch immer. Und häufig empfiehlt es sich für Kinder, aber auch für sonstige Verbrechensopfer, es ANONYM zu tun.
Es ist Sache des Staates, also auch unsere politische Aufgabe, dass der Staat mit anonymen Anzeigen rechtsstaatlich umgeht. Du willst diesen Staat denunzieren und uns als Gesellschaft. Dass Du Dich damit über den Schutz von Kindern hinwegzusetzen bereit bist, wirft auf Dein politisches Verantwortungsbewusstsein jenes braune Licht, auf das Du ja auch noch "stolz" bist, wie wir es aus anderen Diskussionen mit Dir bereits kennen.
Grüße von Sven
Antisemitismus Jude.de Dialog-Lexikon