Von Michael Behrendt und Joachim Fahrun Die rechtsextremistische NPD will auch an diesem 1. Mai in Berlin demonstrieren. Die Senatsinnenverwaltung bestätigte, dass die Partei die Ankündigung eingereicht habe. Es werde jetzt geprüft, ob die Veranstaltung verboten werden könne. Sicherheitsexperten der Berliner Polizei befürchten jedoch, dass es keine rechtlichen Möglichkeiten gibt, den Aufzug zu verhindern. Zwischen 9 und 17 Uhr wollen die Parteimitglieder und Anhänger des NPD-Landesverbandes Berlin-Brandenburg in Berlin marschieren. Motto: «Deutschland zuerst - gemeinsam für soziale Gerechtigkeit in einem Europa der Vaterländer - gemeinsam die Globalisierung stoppen.» Sammelpunkt soll am 1. Mai der Ostbahnhof sein. Die geplante Route: Straße der Berliner Kommune, Karl-Marx-Allee, Frankfurter Allee, Normannenstraße, Ruschestraße, Rosenfelder Straße, Weitlingstraße. Während des Aufmarsches soll es mindestens drei Kundgebungen geben, die Abschlussrede soll am Bahnhof Lichtenberg stattfinden. Zwei Lautsprecherwagen sollen in dem Aufzug mitrollen, die Demonstrationsteilnehmer wollen Fahnen und Transparente mit sich führen. Ein hoher Polizeibeamter: «Es wird das gleiche Desaster geben wie im letzten Jahr. Ein Verbot wird nicht möglich sein, allenfalls Auflagen. Wir müssen diesen Aufzug begleiten, und die Bürger denken, wir beschützen diese Wirrköpfe.» Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP): «Es wäre ein erschreckendes Szenario, wenn zu den traditionellen Krawallen der linken Szene noch Gewalt von rechts dazukäme. Schlimm ist auch, dass Berlin weltweit mit den Symbolen dieser rechtsgerichteten Szene in Verbindung gebracht wird.» Erschwerend komme hinzu, dass die Polizei in Berlin personell das Ende der Fahnenstange erreicht habe und solche Situationen nur noch mit Hilfe anderer Bundesländer bewältigen könne. Im vergangenem Jahr hatten am 1. Mai 1200 Rechte aus dem gesamten Bundesgebiet in Hellersdorf demonstriert. Während die NPD in Berlin Präsenz zeigen will, überlegen die Senatsverwaltungen für Inneres und Jugend, wie sie das von Bundesinnenminister Otto Schily angestoßene Aussteigerprogramm für Rechtsextremisten in Berlin umsetzen können. Alle Fraktionen waren sich bei einer Aussprache am Donnerstag im Verfassungsschutzausschuss des Parlaments einig, dass Angebote der Jugendhilfe notwendig seien, um Sympathisanten aus der Szene zu lösen. Schily hatte vorgeschlagen, Verfassungsschützer sollten gezielt Führungspersonen der Rechten ansprechen und ihnen gegebenenfalls beim Aufbau einer neuen Identität helfen. Die Berliner Parlamentarier teilen jedoch die Bedenken von Verfassungsschützern. Die Ermittler seien nicht die geeigneten Akteure, weil sie ihre Kontakte in den Szene eher dazu nutzen wollten, Informationen abzuschöpfen, sagten übereinstimmend der CDU-Abgeordnete Peter Trapp und sein PDS-Kollege Stefan Zillich. ,,Pfarrer oder Sozialarbeiter wären besser geeignet», findet der Grüne Michael Cramer. Bei Praktikern, die schon Hilfe für ausstiegswillige Rechte anbieten, stößt die Idee des ,,Herauskaufens» von führenden Neo-Nazis auf Ablehnung. ,,Das funktioniert nicht», heißt es bei der Berliner Initiative Dialog, die unter www.nazis.de das größte Internet-Angebot für den Kontakt mit Rechten ins Netz stellt und schon einige Aussteiger zur Mitarbeiter gewinnen konnte. Auch Behörden sollten sich dabei zurückhalten. ,,Sie brauchen Staatsferne», heißt es. Der Verein Exit setzt darauf, dass Aussteiger den ersten Schritt tun. ,,Wer aussteigen will, muss sich ja nicht nur aus seinem Umfeld lösen, sondern sich auch von der Ideologie verabschieden», sagt eine Sprecherin. 80 Rechte hätten seit vergangenem Herbst mit Exit Kontakt aufgenommen. Die meisten aus den westlichen Bundesländern. ,,Im Osten fühlen sich viele offenbar sehr wohl als Rechte», heißt es bei Exit. Beide Initiativen dürfen dem Vernehmen nach hoffen, ins Berliner Aussteigerprogramm einbezogen zu werden.
Ende der Dokumentation Berliner Morgenpost |
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Kommentar der Initiative-Dialog |
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In das Berliner Aussteigerprogramm
wurden wir bislang noch nicht einbezogen, haben uns allerdings auch noch nicht richtig darum bemüht, weil wir aus Erfahrung mit bundesstaatlichen Programmen mit wenig Engagement rechnen. Für Initiativen wie uns wäre es auch schon hinreichend, wenn wir im staatlichen Bereich zuverlässige Ansprechpartner hätten, die sich um "Fälle" kümmern, denen wir im Rahmen von Internet und Ehrenamtlichkeit nur äußerst schlecht helfen können. Insbesondere müsste eine solche "Schnittstelle" sich darum kümmern, dass die zuständigen Jugendämter vor Ort solchen Hinweisen nachgehen und schnelle Hilfe organisieren. Bei Exit-Deutschland dürfte das Zusammenwirken mit Behörden, freien Wohlfahrtsträgern etc. hingegen wieder anders aussehen als bei uns und wir wollen hiermit nur darauf hinweisen, dass es bislang an entsprechender Koordination gesellschaftlicher und staatlicher "Aussteigerarbeit" fehlt. Der Anstoß zu dieser Koordination sollte eher von staatlicher Seite ausgehen, da ehrenamtliche Initiativen ohnehin überlastet sind. Die im Morgenpost-Artikel zitierte "Staatsferne", die wir tatsächlich für die unmittelbare Aussteigerarbeit empfehlen, müsste trotz der Koordination mit staatlichen Stellen erhalten bleiben. Es geht dabei nicht etwa darum, in "rechtsfreien Räumen" zu agieren, sondern ähnlich der Drogenhilfe zu berücksichtigen, dass die Menschen keine Strafverfolgungsmaßnahmen zu befürchten haben, die sich aus der Kontaktaufnahme etwa mit uns ergeben könnten. So hat es sich zumindest bislang bewährt.
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