Netzextrem
Radikale Internet-Adressen weit verbreitet
Sie heißen heinrich-himmler.de, 20-Juli-1944.de oder meinkampf.de. Bei deutschen Providern sind hunderte Adressen angemeldet, die rechtsradikale Inhalte vermuten lassen. Das Justizministerium sucht nun mit den großen Providern nach einer Regelung. Domains wie arschficken.de oder fotzen-lecken.de gelten dagegen weiterhin als unproblematisch.
Der Berliner Internet-Provider Strato hat in den letzten Tagen insgesamt 27 Internet-Adressen (Domains) gelöscht, die Begriffe aus Nazi-Deutschland oder neonazistischen Ursprungs enthielten. Ob weitere Domains mit entsprechenden Schlagwörtern registriert seien, will Strato-Pressesprecher Sören Heinze nicht ausschließen: "Wir haben eine Task-Force installiert, die nach entsprechenden Begriffen sucht. Sobald wir fündig werden, löschen wir die Domain."
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Beim Frankfurter Unternehmen KPNQwest, vormals Xlink, ist beispielsweise mein-kampf.de konnektiert, rechtsradikalismus.de ist über den Karlsruher Provider Puretec registriert. Pikant: Die Adresse wurde von Reinhard Wnendt beantragt, ehemals stellvertretender Landesvorsitzender der Republikaner in Nordrhein-Westfalen, der auch vom Verfassungsschutz beobachtet wurde. Wnendt hat sich ebenfalls Namen wie heinrich-himmler.de, rudolf-hess.de oder rechtes-infotelefon.de registriert. Puretec äußerte sich auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE nicht.
Gesetz reicht aus
Das Justizministerium hat Kontakte zu den großen Providern aufgenommen, um eine gemeinsame Haltung bei der Vergabe extremistischer Domains zu finden. Eine gesetzliche Neuregelung weist man aber zurück, weil bestehende Gesetze alle Fälle abdecken könnten. Eindeutig ehrverletzende, sexistische oder volksverhetzende Formulierungen würden verfolgt, heißt es aus dem Ministerium. Andere Domainnamen unterliegen der freien Meinungsäußerung.
Alle Provider berufen sich auf die Menge der registrierten Domains und dem damit verbundenen Problem einer umfassenden Kontrolle. So gehen bei der deutschen Registrierungsstelle DENIC in Frankfurt monatlich rund 200.000 Registrierungen ein. Diese Fülle sei nur automatisiert zu bearbeiten und per Stichprobe oder auf Anzeige hin zu überprüfen. Eine technische Kontrolle, etwa mit einer Datenbank, die indizierte Wörter enthalte, sei finanziell einem Unternehmen nicht zuzumuten, sagt Strato-Sprecher Sören Heinze.
In Gesprächen mit dem Bundesjustizministerium und anderen Providern wolle man aber vielleicht auch hier eine gemeinsame technische Lösung finden. Keinen Änderungsbedarf sieht Heinze im Fall von geschmacklosen Domainnamen wie arsch-ficken.de oder ähnlichen Begriffen: "Wo soll man da die Grenze ziehen, was geschmacklos ist und was nicht? Ist Sexothek schon geschmacklos? Ich sehe hier keine Notwendigkeit, etwas zu ändern", äußerte er sich gegenüber SPIEGEL ONLINE.
Eindeutig sei die Firmenpolitik hingegen, was die Inhalte angeht: pornografische Seiten würden sofort gelöscht. Auch die Geschäftsführerin von DENIC, Sabine Dolderer, sieht keine Möglichkeit, hier einzugreifen: "Solche Adressen sind unappetitlich, aber strafrechtlich eindeutig nicht verfolgbar." Auch eine Kontrolle der Domains sei fast nicht möglich, "weil Domains bis zu 63 Zeichen lang sein können. Die Leute haben teilweise ein so perverse Phantasie, da kommen wir gar nicht drauf."
Gefährliches Engagement
Nicht alle Domains, die vordergründig rechts motiviert erscheinen, sind es auch. Linksaktivisten und andere Personen registrieren diese häufig auf sich, um sie für Rechtsextremisten unbrauchbar zu machen und gegen rechte Gewalt aufzurufen, beispielsweise www.nazis.de. Diese privat motivierte Aufklärung ist nicht ganz unproblematisch: Sollte eine solche Domain volksverhetzenden Charakter haben, machen sich die Domaininhaber unter Umständen strafbar. Und diese privaten Initiativen könnten zu Problemen für die Inhaber führen: im Internet sind ihre Adressen für jeden recherchierbar.
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